» Lösegeld für die Chefs «

von Lutz Meier (Paris)

Drei Tage lang werden Manager des Reifenkonzerns Michelin festgehalten - von ihren eigenen Beschäftigten. Sie erpressen Abfindungen. Am Ende fließen 2400 Euro pro Arbeitnehmer und Beschäftigungsjahr.

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Als Marcel Lallite und Jean-Gabriel Pontier, beide Manager der Reifenfabrik in Toul, am Sonntagmittag endlich das Fabrikgelände verlassen konnten, gaben die Mitarbeiter ihnen ein besonderes Geleit. Mit zugewandtem Rücken bildeten sie eine Gasse. "Sie sind durch ein Ehrenspalier gegangen - um nicht zu sagen: Schreckensspalier -, an das sie sich noch lange erinnern werden," sagte François Auxerre, in dem Werk Vertreter der Gewerkschaft Force Ouvrière.

Nicht nur an diesen Abschied dürften sich die beiden Personalchefs der Traditionsfabrik in Lothringen lange erinnern, auch die vorhergehenden Tage waren prägend. Freitag früh waren die Manager in den Versammlungsraum des Werks gekommen. Sie offenbarten den Arbeitnehmervertretern, wie sich der Konzern die Abwicklung der Arbeitsplätze vorstellt. Anfang 2009, so wurde es im Herbst beschlossen, solle das Werk zugesperrt werden. Und das, nachdem hier viele Jahrzehnte Reifen der Traditionsmarke Kléber gefertigt wurden.

Mit dem Ergebnis waren die Arbeiter nicht zufrieden. Zwar versprachen die Manager, sich um neue Jobs für die von Kündigung bedrohten 826 Beschäftigten zu kümmern. Aber als es um Abfindungszahlungen ging, die die Arbeiter seit Langem forderten, blieben die Manager hart. Zusätzlichen Unmut schürte eine Veranstaltung, die zur gleichen Stunde in Paris stattfand. Da präsentierte Michelin die Bilanz für 2007. Die war, nach zwei schwierigen Jahren, ziemlich gut: Der Nettogewinn war um 36 Prozent auf 774 Mio. Euro gewachsen.

Schnelles Ende

Die Versammlung in Toul war schnell zu Ende. Arbeitnehmervertreter sagten den Managern, sie würden am Verlassen des Raums gehindert, bis sie über die Abfindungen verhandeln. Einige Hundert Arbeiter besetzten die Fabrik, stoppten die Produktion, schickten Lieferanten weg und bauten Grills und Picknickausrüstung auf. Lalitte und Pontier durften den Versammlungsraum nur verlassen, wenn sie auf die Toilette wollten. Unter diesen Arrestbedingungen, sagten sie, würden sie nicht verhandeln. Sie hätten gewarnt sein können: Schon am Vorabend, als die Verhandlungen noch 70 Kilometer weiter westlich in Saint-Dizier stattfanden, hatten die aufgebrachten Arbeitnehmervertreter sie rund 40 Minuten lang nicht gehen lassen.

Am Samstag reiste der Präfekt an sowie ein Topmanager aus der Konzernzentrale. Gleichzeitig rief der Konzern die Justiz an - wegen der Firmenbesetzung, nicht wegen des Arrests für die Manager. Erst am Sonntag hatten die Vermittlungsbemühungen Erfolg. Am Mittag ließen die Arbeitnehmervertreter die Manager ziehen. Am Abend schlossen sie ein Abkommen mit der Führung. Der Konzern sagte den von Kündigung bedrohten Arbeitern je 2400 Euro Abfindung für jedes Beschäftigungsjahr zu.

Am Mittwoch werde die Produktion wieder normal laufen, teilte die Konzernführung mit. Die Klage ziehe man auch zurück. Montagfrüh kam ein Justizbediensteter und überzeugte sich, dass die Arbeiterkämpfer die Fabrik besenrein hinterlassen und nichts mitgenommen haben. Auch im Versammlungsraum soll es wieder sehr ordentlich gewesen sein.

Letztes Mittel

Arbeiterzorn Die Besetzung eines von Schließung bedrohten Werks ist eine erprobte Kampfform, wenn Arbeiter ihre Jobs retten wollen. Zuletzt besetzten etwa im Herbst Beschäftigte im thüringischen Nordhausen die Fahrradfabrik Bike Systems, die der Finanzinvestor Lone Star in die Insolvenz entlassen hatte. Die Arbeiter wollten nicht streiken. Sie produzierten ein Radmodell, das beweisen sollte, dass das Werk rentabel war. Am Ende war ihr Kampf vergeblich.

Kursinformationen

Name Aktuell
% abs.
CIE GÉNLE ÉTS MICHEL.. 62,95 EUR 1,91 % 1,18
CONTINENTAL AG INHAB.. 66,42 EUR 0,64 % 0,42
BRIDGESTONE CORP. RE.. 11,10 EUR 3,16 % 0,34
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Aus der FTD vom 19.02.2008
© 2008 Financial Times Deutschland

 

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