» Von Listen und Läusen «

von Peter Kuchenbuch und Georg Dahm

Der Hersteller eines Entlausungsmittels will mit seinem Produkt in das begehrte Verzeichnis staatlich geprüfter Arzneien. Doch eine öffentliche Kampagne zu diesem Zweck löst in den Behörden erst einmal Kopfkratzen aus.

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Es gibt Wörter, die sind wirklich unbehaglich. "Entwesungsmittelliste" ist so eins. Nicht für Alpecin-Hersteller Dr. Wolff Arzneimittel aus Bielefeld. Er ist ganz wild darauf, sein Kopflausmittel Etopril auf diese Liste zu bekommen. Wenn die Parasiten Kindergärten heimsuchen, lassen die Gesundheitsämter kaufen, was auf der Liste registriert ist. Und Eltern greifen lieber zu den Mitteln mit dem staatlichen Prüfsiegel. Arzneifirmen, deren Präparat auf der Entwesungsmittelliste steht, sind ganz weit vorn im lukrativen Geschäft mit dem großen Juckreiz.

Richtig teuer war der ganzseitige offene Brief der Firma an Gesundheitsministerin Ulla Schmidt in der "FAZ" und der "Süddeutschen Zeitung". "Sie erfahren durch diesen Brief etwas, was Sie persönlich für undenkbar, ja sogar skandalös halten werden", eröffnet ihr der Hersteller da.

Schmidt soll helfen, dass Wolffs Produkt schneller auf die Empfehlungszettel der Behörden kommt. Bisher hätten die Ämter für den Listeneintrag zwei Jahre Wartezeit angekündigt. Wolff will auch, dass die Krankenkassen den Eltern den Etopril-Einsatz bezahlen.

"Ich will deutsche Kinder von Pestiziden befreien, und keiner hilft mir dabei", klagt Eduard Dörrenberg, Geschäftsführender Gesellschafter von Wolff. "Die meisten Menschen wissen ja gar nicht, dass sie die Läuse ihrer Kinder mit Insektengiften bekämpfen." So würden unter anderem Nervengifte wie Pyrethrum und Permethrin verwendet. Der millionenfache Einsatz auf der Kopfhaut von Kindern sei angesichts vorhandener und wissenschaftlich geprüfter Alternativen irrsinnig.

Im Oktober hat die Firma ihr pestizidfreies, silikonhaltiges Produkt im deutschen Markt eingeführt. Als frei verkäufliches, nicht apothekenpflichtiges Medizinprodukt aber wird es - mit einer Ausnahme - nicht von den Krankenkassen erstattet und kostet 15 Euro. Ein erstattungsfähiges, permethrinhaltiges Produkt ist ähnlich teuer. Wolff hat die Etopril-Lizenz vom britischen Konzern Thornton & Ross erworben. Der Wirkstoff Dimeticon ist nicht neu. Als Silikonöl wird er in Lebensmitteln, Kosmetika und als Gleitschicht auf Kondomen eingesetzt. Dimeticon verklebt die Atemöffnungen der Läuse und erstickt sie. Auch die Konkurrenten Hermal und Pohl-Boskamp haben solche Produkte im deutschen Markt.

Bei den zuständigen deutschen Behörden stößt Wolffs lautstarker Auftritt auf Unverständnis. "Ich habe keine Ahnung, worauf die Behauptung fußt, die Prüfung würde zwei Jahre dauern", sagt Erik Schmolz, Wissenschaftlicher Rat beim Umweltbundesamt (UBA), das die Wirksamkeit und Umweltverträglichkeit der Läusemittel prüft. Es werde zwar nur alle ein bis zwei Jahre ein Nachtrag zur Entwesungsmittelliste veröffentlicht. Aber jedes Produkt, das in der Zwischenzeit die vorgeschriebenen Tests durchlaufen habe, erhalte sofort die staatliche Anerkennung.

Von einer Behinderung durch die Behörden könne keine Rede sein. Der Staat sei daran interessiert, möglichst viele wirksame Alternativen zur Verfügung zu haben, sagte Schmolz. Und bisher sei erst ein insektizidfreies Mittel zertifiziert. Derzeit werde Etopril vom UBA getestet, den Antrag habe das Unternehmen erst im November gestellt.

Auch Wolffs Verweis auf eine klinische Studie mit Etopril reiche nicht als Wirksamkeitsnachweis aus, so das UBA. In seinen Laboren muss sich jedes Mittel erst auf künstlichen Haarschöpfen bewähren. Etopril hat im klinischen Test nur rund zwei Drittel der Läuse getötet, kann die Hürde aber noch schaffen. Auch ganz ohne Ministerin Ulla Schmidt. Aber vielleicht hat sie ja Zeit, den Namen der Entwesungsmittelliste zu ändern.

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Aus der FTD vom 26.02.2008
© 2008 Financial Times Deutschland

 

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