Muhammad Superstar

von Benjamin Dierks (Dschidda)

Seitdem er für sein Konzept der Mikrokredite in Entwicklungsländern den Friedensnobelpreis erhielt, ist Muhammad Yunus Anerkennung gewohnt. In Saudi-Arabien aber legte der Gründer der Grameen Bank nun einen Auftritt hin, der normalerweise die Religionspolizei auf den Plan gerufen hätte.

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Der Ruf des Muezzins dringt dumpf durch die feuchte Mittagshitze in Dschidda. Von überallher schallt von den Minaretten die Aufforderung zum Gebet. Selbst auf dem hochkarätig besetzten Wirtschaftsforum der saudischen Metropole am Roten Meer fehlt es nicht an Gebetsräumen - doch die sind von einigen Ausnahmen abgesehen leer.

Dafür steht ein Mann auf der Bühne, der alle Anbetung auf sich zieht. Millionenschwere Scheichs aus den Golfstaaten wie Finanzberater aus den USA, alle hängen sie Muhammad Yunus an den Lippen. Galant und gut gelaunt erzählt der den wirtschaftlichen Schwergewichten, wie er Mikrokredite an Kleinstunternehmer vergibt, ohne Sicherheiten und trotzdem mit einer Rückzahlungsrate, die sich den 100 Prozent nähert. Selbst die pakistanischen Hilfsarbeiter stehen gebannt vor den Bildschirmen in ihrem Pausenraum.

Nobelpreisträger Muhammad Yunus
 Nobelpreisträger Muhammad Yunus

Besonders aufmerksam aber lauschen die Frauen. Sie sitzen getrennt von den Männern hinter verspiegelten Glasscheiben, die Mischung der Geschlechter schickt sich nicht im wahabitischen Königreich. Und dann fallen die Sätze, die sie ein für allemal beenden, die gespannte Stille: "Widerstand kam anfangs von den Männern, weil ich meine Kredite an die Frauen vergab", sagt Yunus. Dann von den Religösen - aus dem gleichen Grund. Dabei sei das Quatsch: "Wer ein guter Muslim ist, heiratet besser eine Geschäftsfrau", ruft er in den Saal.

Im Frauenblock bricht Jubel aus. Wie bei einem Popkonzert laufen die ersten Zuhörerinnen an den Rand der Bühne. Alle sind nach saudischer Vorschrift in Abajas gehüllt, schwarze Gewänder, die vom Hals bis zu den Füßen reichen. Einige haben sogar ihr Gesicht verhängt. Doch nun stehen sie vorne, außerhalb der ihnen zugewiesenen Grenzen, und beklatschen Yunus wie einen Heilsbringer.

Dabei hatte der Ökonom aus Bangladesch vermutlich nur das gesagt, was er sonst auch sagt. Dass die Armen in den Entwicklungsländern Geld brauchen, um sich selbst zu helfen, und dass es bitteschön nicht nur in den Entwicklungsländern Armut gebe. Gerade erst habe er mit seiner Grameen Bank die Arbeit in New York in Angriff genommen. Und dass es eben ein Schlüsselelement sei, dass man den Frauen Macht gebe.

In Saudi-Arabien ist ein solcher Satz noch immer eine echte Provokation. Nirgends sonst in der arabischen Welt sind Frauen so stark entrechtet. Die Vormundschaft der Männer begleitet sie ein Leben lang. Reisen oder ein Mietvertrag sind ohne Einverständnis von Vater, Bruder oder Ehemann unmöglich. Das Verbot, Auto zu fahren, und die Geschlechtertrennung machen einen Einstieg ins Berufsleben nicht leichter.

Doch es gibt erste kleine Fortschritte. Seit Januar dürfen Frauen auf Geheiß des Königs allein in Hotels einchecken. Der Zugang zu Bildung wird erleichtert. In diesem Jahr sollen die ersten Juristinnen ihr Studium abschließen und Dschidda hat bereits die ersten Anwältinnen eingestellt. So klingt dann in der letzten Nachfrage aus dem Publikum - aus dem männlichen Block diesmal - auch ein wenig Bange mit: Ob Yunus denn denke, dass sein Konzept überall umsetzbar sei. Ja, sagt der und verlässt die Bühne nicht wie seine Vorredner nach hinten, sondern geht demonstrativ nach vorne zu seinen Fans in den Frauenbereich.

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FTD.de, 25.02.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: Bloomberg

 

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