Fixpunkt in der Fußball-Künstlerszene

von Raphael Honigstein (London)

In der Premier League trifft Arsenals Stürmer Emmanuel Adebayor nach Belieben, nur in der Champions League klappt es einfach nicht. In Mailand soll die schwarze Serie jetzt enden.

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Mutter Adebayor war nicht begeistert, dass ihr Sohn das Wohnzimmer in Lomé in einen Trainingsplatz verwandelte, doch der junge Emmanuel ließ sich nicht aufhalten. Er hängte einen Fußball an die Decke und sprang tausendmal zum Kopfball hoch, jeden Tag machte er die Schnur ein Stückchen kürzer. "Ich hatte mir vorgenommen, höher springen zu können als andere auf dem Trampolin", erinnert sich der 1,93 Meter große Togoer.

Die Pendelübungen in seiner Kindheit haben sich ausgezahlt. "Der Mann ist ein Monster", sagte kürzlich Gegenspieler Jimmy Bullard (FC Fulham), "der springt aus dem Stand in die Höhe der Torlatte." Adebayor, 24, erzielte im Januar zwei Tore mit dem Kopf gegen die Lokalrivalen, mittlerweile hat er 19-mal in der Premier League getroffen. Nur Manchester Uniteds Cristiano Ronaldo liegt mit zwei Toren mehr in der Torschützenliste vor ihm. Im Achtelfinalhinspiel gegen den AC Mailand traf der Arsenal-Stürmer in der letzten Minute aus bester Lage nur die Latte mit seinem Kopfball, doch nach dem sehenswerten 0:0 hatten sich Spieler aus beiden Lagern schnell auf den in jeglicher Hinsicht herausragenden Akteur geeinigt. "Ob Adebayor schwer zu spielen ist? Das können Sie laut sagen!", lachte Mailands Clarence Seedorf, als ob ihn jemand gerade gefragt hätte, ob Mailand vielleicht die Stadt der Mode und London für seinen Nebel bekannt sei. Arsenals Alexander Hleb führte seine starken Leistungen in dieser Saison ebenfalls auf den Kollegen im Sturmzentrum zurück: "Eine Katastrophe, mit dem Mann zusammenzuspielen, der kann ja nix", scherzte er vergnügt. "Unplayable" ist der schlaksige, aber unheimlich robuste Adebayor in seiner dritten Spielzeit an der Themse, kaum zu bändigen.

Gegen den AC Mailand in London spielte "Gunners"-Torjäger Emmanuel Adebayor (r.) schön, aber erfolglos
 Gegen den AC Mailand in London spielte "Gunners"-Torjäger Emmanuel Adebayor (r.) schön, aber erfolglos

Als er im Januar 2006 für 10 Mio. Euro vom AS Monaco zu den "Gunners" kam, fühlten sich die Fans an seinen nigerianischen Vorgänger Kanu erinnert. Adebayor hatte die gleichen, für Verteidiger kaum zu enträtselnden Körperbewegungen, fiel leider aber auch durch ähnliche Lethargie im Strafraum auf. Wie viele seiner Kollegen blühte er erst in dieser Spielzeit, der ersten ohne den alles dominierenden Thierry Henry, auf. Der Spanier Cesc Fàbregas macht in der Mitte des Platzes Arsenals Spiel, es ist jedoch buchstäblich an Adebayor aufgehängt: Er ist der Fixpunkt, um den alle kreiseln; der "target man", den gerade Arsène Wengers Kurzpasskünstler so nötig haben. Vor lauter schönem Spiel fand der Ball früher bei ihnen oft nicht ins Ziel.

Lange, hohe Bälle waren beim Fußballästheten Wenger einst so verpönt wie das in England noch vor zehn Jahren übliche Steak und Bier-Mittagessen vor den Ligaspielen. Doch Adebayors Kraft und Schnelligkeit haben Arsenals Spiel ganz zwangsläufig eine Spur direkter und steiler gemacht, die in der Henry-Ära gänzlich verbotenen Flanken aus dem Halbfeld gehören jetzt zum Repertoire. Als sich der kalifornische Hobbyfußballer David Beckham (LA Galaxy) im Januar mit publikumswirksamen Trainingseinheiten beim FC Arsenal für eine Rückkehr in die englische Nationalmannschaft empfehlen wollte, mussten die Spötter so nicht lange nach einer Pointe suchen: Beckhams lange "Hollywood-Bälle" aus dem Stand würden hervorragend zum neuen britischen Stil des Teams passen, witzelte die "Times".

Adebayor hat das zu ornamentalen Exzessen neigende Spiel der jungen Truppe aber auch in einer anderen Hinsicht verändert. Früher bestimmten bei Arsenal die Franzosen mit ihrer Körperlosigkeit die Gangart, heute dominiert zunehmend das afrikanische Element: Zur vorzüglichen Technik haben sich Widerstandsfähigkeit und auch Härte gesellt. Adebayor teilt gerne aus, selbst Mitspieler sind nicht immer vor ihm sicher: Dem Dänen Nicklas Bendtner verpasste er nach dem 1:5 gegen Tottenham im Ligapokal-Halbfinale auf dem Platz eine blutige Nase. Freunde werden die beiden wohl nicht mehr, Wenger sieht es gelassen: "Auf dem Platz machen sie, was das Spiel von ihnen verlangt."

Im San Siro wird Dienstagabend zumindest ein Auswärtstor von den "Gunners" verlangt. Wenger tritt die Reise zu den Routiniers mit "good vibrations" an, denn beim letzten Besuch in der Stadt, im November 2003, gewann man gegen Inter mit 5:1. Thierry Henry erzielte damals zwei Tore, und die "Gazzetta dello Sport" druckte bestürzt Edvard Munchs Gemälde "Der Schrei" auf der Titelseite ab. Wenger weiß schon, wer diesmal den Italienern Angst und Bange machen wird, auch wenn Adebayor noch gar nicht in der Champions League für Arsenal getroffen hat: "In 14 Spielen hat es nicht geklappt? Dann macht er eben im 15. sein Tor."

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Aus der FTD vom 04.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: reuters

 

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