In Hessen ist die Kompetenzverlagerung Teil der "Bad Wildunger Erklärung", die die Landespartei vergangene Woche verabschiedet hat. In Niedersachsen findet sie sich im Koalitionsvertrag. Auch in Hamburg dürfte das Thema Studiengebühren in den kommenden Wochen neu geregelt werden. Sowohl SPD als auch Grüne, und damit beide möglichen Koalitionspartner der CDU, lehnen Gebühren ab.
Die Bildungspolitik gilt in der CDU derzeit als größte Schwachstelle der Partei. Bei allen drei Landtagswahlen in diesem Jahr empfanden die Wähler die Lage an den Schulen und Hochschulen als eines der wichtigsten Probleme. Und in allen drei Ländern trauten sie der SPD auf diesem Feld mehr zu. Mit den Studiengebühren haben sich die CDU-geführten Landesregierungen bei vielen Studenten unbeliebt gemacht. Zahlreiche Proteste richteten sich direkt gegen die Staatskanzlei. Mit der Entscheidung, die Hochschulen selbst über Gebühren bestimmen zu lassen, könnten die Länder das Problem mit dem Protest zurück an die Universitäten verlagern.
In Niedersachsen ging die CDU auf eine Forderung des Partners FDP ein. Im Koalitionsvertrag heißt es, man wolle, "gemeinsam mit den Hochschulen" prüfen, "ob die Übertragung der Kompetenz sinnvoll ist". Bei den Universitäten stößt das auf Wohlwollen. Der Präsident der Landesrektorenkonferenz Kurt von Figura sieht eine Mehrheit der Hochschulen für die Freigabe der Gebührenhöhe - allerdings nach oben wie nach unten.
In Hessen ging die Freigabe der Studiengebühren von der Partei aus. Jedenfalls war sie bislang nicht Politik der Landesregierung, wie es im überraschten Wissenschaftsministerium heißt. Denn eigentlich wollte man erst einmal das Urteil des Staatsgerichtshofs abwarten, der demnächst entscheidet, ob die Gebühren mit der hessischen Landesverfassung vereinbar sind. Doch letzte Woche landete die neue Entscheidungsfreiheit der Hochschulen in der "Bad Wildunger Erklärung" der Landes-CDU, mit der sich die Partei programmatisch erneuern und auf die Grünen zugehen will.
Ob der Vorschlag bei den Grünen jedoch als Kompromissangebot ankommt, ist zweifelhaft. Der hochschulpolitische Sprecher der Bundestags-Grünen, Kai Gehring, hält ihn für "unausgegoren": "Damit kann man die Grünen nicht ködern." Die Grünen wollen die völlige Abschaffung der Studiengebühren. Denn dass es bei einer Freigabe der Gebühren zu einem Wettbewerb der Unis um niedrigere Gebühren kommen würde, hält Gehring für unwahrscheinlich.
In der Tat ist es sehr fraglich, ob eine Freigabe etwas verändern würde. In Bayern haben Universitäten bereits einen Spielraum von 300 bis 500 Euro pro Semester, alle haben sich für den oberen Rand entschieden. In Nordrhein-Westfalen können die Hochschulen ihre Gebühren ganz frei festlegen - bis auf ein paar Kunst- und Musikhochschulen verlangen alle den Höchstbetrag von 500 Euro. Für Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) hat sich die Freigabe trotzdem gelohnt: "Die Tatsache, dass die Unileitungen ihre Entscheidung vor Ort begründen müssen, hat zu einer höheren Akzeptanz der Studienbeiträge geführt." In den Hochschulleitungen sehen viele das anders: Von einem vergifteten Geschenk ist ob der neuen Kompetenz die Rede. Pinkwart habe nur geschickt den Protest in die Unis getragen.
Aus der FTD vom 04.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: FTD.de
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