Out of Office

Liebesgrüße aus Moskau

von Heimo Fischer (London) und Andrzej Rybak (Hamburg)

Die britische Barclays Bank hat die russische Expobank übernommen. Deren Mitarbeiterinnen posieren aufreizend in einem Firmenkalender - von der Salesmanagerin bis zur Chefvolkswirtin.

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Sehr seriös und meistens ein wenig langweilig - so präsentieren sich Banken in aller Welt. Genau das Gegenteil macht jedoch die russische Expobank. In einem Kalender für das laufende Jahr ließ der Chef weibliche Angestellte halb nackt abbilden. Das fertige Produkt bekamen ausgewählte Geschäftpartner geschenkt. Geschadet hat der eigenwillige Akt dem Geldhaus nicht. Am Montag wurde die Expobank vom britischen Branchenriesen Barclays für respektable 745 Mio. $ geschluckt.

Die Idee zu dem ungewöhnlichen Kalender kam von ganz oben. Aufsichtsratschef Kirill Jakubowski, der der Führung der Bank auch nach der Übernahme durch den britischen Konkurrenten angehören wird, regte das Projekt selbst an. Seine Frau Jelena Boksa kümmerte sich um die Bilder. Sie ist Fotografin.

Für den erotischen Kalender der russischen Expobank posierten Mitarbeiterinnen
 Für den erotischen Kalender der russischen Expobank posierten Mitarbeiterinnen

Die Auswahl der Modelle erfolgte offensichtlich stark nach optischen Gesichtspunkten. Lediglich Mitarbeiterinnen zwischen 22 und 33 Jahren posierten für den offiziellen Firmenkalender. Das Blatt für den Monat Januar zeigt die Bereichsleiterin Maris Guterman vor einer Kochzeile. Sie trägt Strapse mit zierlichen Schleifen, keinen BH, die rechte Hand steckt in einem Küchenhandschuh.

Auch Miss Februar posiert in der Küche: Salesmanagerin Jewgenija Trusilowa trägt ein rosa Tüllkleid, das aussieht, als würde es von einem Windstoß nach oben geweht. Managerin Julia Kowynewa, gibt sich im April zugeknöpfter. Sie trägt einen Body, sitzt auf dem Bett und streicht sich lasziv durch das schulterlange Haar. Ihre hochhackigen Schuhe schmücken zwei rosa Schleifen. Selbst die Chefvolkswirtin, die für die VIP-Kunden der Bank zuständig ist, macht mit: Sie posiert im Monat März im kurzen Rock - und heruntergelassenem Slip zwischen den Beinen.

"Wir wollten unseren Kunden eine schöne Überraschung bereiten", sagte eine Sprecherin der Bank. Man habe den Geschäftspartnern zeigen wollen, dass nicht nur sehr professionelle Angestellte in der Expobank arbeiteten, sondern auch schöne Frauen.

Es ist im modernen Russland keine Seltenheit, dass sich Frauen für ihren Betrieb nur leicht bekleidet fotografieren lassen. Fachleute zeigen sich zwar von der guten Qualität der Fotos der Expobank beeindruckt. Aber auch andere Unternehmen haben bereits ähnliche Kalender herausgegeben. Und jedes Jahr wählt eine Jury in einem Moskauer Nachtklub die schönste Frau der Finanzwelt. Mitarbeiterinnen von Banken, Versicherungen, Brokern und Investmentfonds sind zum Mitmachen aufgerufen. Letztes Mal kämpften 150 Teilnehmerinnen um den Titel. In der zehnköpfigen Jury sitzen Vertreter aus Finanzministerium und Bankenverbänden.

Auf Kopfschütteln stößt der Kalender der Expobank in der westlichen Finanzwelt, in der regelmäßig wegen Diskriminierung und Sexismus geklagt wird. Die Investmentbank Merrill Lynch etwa hat in den vergangenen Jahren wegen 900 Diskriminierungsklagen von weiblichen Angestellten 100 Mio. $ gezahlt. Die Investmentbank Smith Barney wurde von 2000 Mitarbeiterinnen verklagt und entschädigte diese mit ebenfalls 100 Mio. $.

James Eden, Bankanalyst bei Exane in London, kritisierte die Kalenderaktion der Expobank. "Ich denke, es ist sexistisch, dass nur Frauen gefragt wurden, ob sie sich für den Kalender ausziehen wollen", sagte er. Seiner Meinung müsste es auch einen Kalender mit männlichen Kollegen geben. Oder aber der aktuelle Kalender hätte wenigstens Männer und Frauen des Geldinstituts im monatlichen Wechsel zeigen müssen.

Die Expobank weist daraufhin, dass sich alle Angestellten freiwillig gemeldet hätten. Die Modelle selbst geben sich entzückt. "Ich bekomme immer noch Komplimente von meinen Kunden - vor allem von den Männern, aber die Frauen sagen ebenfalls nette Dinge", sagte Volkswirtin und März-Model Anna Pogodina der britischen Zeitung "Mail on Sunday". Sie schränkt jedoch ein, dass sie bei der Aufnahme des Fotos nicht gewusst habe, dass es mit ihrem Namen und ihrer Funktion veröffentlicht werden würde.

Die zum Modell gewordene Bankerin Julia Babenko sieht ihre Teilnahme an der Kalenderaktion als Glücksfall. "Einer unserer Direktoren hat uns die Möglichkeit eröffnet, an dem Fotoshooting teilzunehmen", sagte sie. Es sei eine neue und interessante Erfahrung gewesen. "Die Fotografin hat uns geholfen, ein neues Bild von uns selbst zu entwerfen."

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Aus der FTD vom 04.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: Expobank/Elena Boksa

 

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