Wenn Frauenfußball ist in Deutschland, dann merkt man(n) das schnell. Von den Rängen ertönt die Nationalhymne eine Oktave höher als sonst. In den Schlachtgesängen kommt keine Fäkalsprache vor. Und in der Halbzeitpause bilden sich Schlangen vor dem Damen-WC. Das gibt es so nirgendwo anders auf der Welt. Manche behaupten sogar, Deutschland sei das Mekka des Frauenfußballs. Wo sonst pilgern - wie am vergangenen Donnerstag in Freiburg - 18.500 Fans zu einem bedeutungslosen Testländerspiel gegen China?
"Grandiose Kulisse", sagte die deutsche Torfrau Nadine Angerer nach dem 2:0-Sieg zum Auftakt des Olympiajahrs. "Ein Vorgeschmack auf die WM 2011", fügt Innenverteidigerin Ariane Hingst an. Beide schrieben eifrig Autogramme und standen noch lange mit leuchtenden Augen in der Interviewzone des Freiburger Stadions, auf dessen Bande der Sponsoren-Schriftzug prangte: Wir sind Weltmeisterin!
Bleibt eigentlich nur eine Frage: Warum, bitteschön, kommt frau bei alledem auf die Idee, dieses Schlaraffenland zu verlassen, um beim schwedischen Vizemeister namens Djurgarden IF anzuheuern? Ariane Hingst, die schon im vergangenen Jahr zu dem Klub im Stockholmer Stadtteil Djurgarden gewechselt war, sagt: "Ich wollte etwas Neues ausprobieren." Ungefragt fügt sie hinzu: "Und ich bin sehr glücklich."
Nadine Angerer, die seit Januar das Djurgardener Tor hütet, muss deutlicher werden. "Ich bin jetzt 29 Jahre alt und wollte unbedingt noch einmal ins Ausland", sagt sie, "und es ist totaler Quatsch zu behaupten, ich sei dorthin gewechselt, weil ,Ari‘ auch dort spielt." Die beiden Fußballerinnen haben eine Chance beim Schopf gepackt, die sie sich schon 2005 ausgerechnet hatten, als sie mit Turbine Potsdam gegen Djurgarden IF den Uefa-Pokal gewannen. "Auf der Party danach ist die Idee entstanden", sagt Ariane Hingst. Ins Ausland gehen, nur noch Fußball spielen - ein Traum, den Tausende deutscher Mädchen träumen, seit 2002 "Kick it like Beckham" in den Kinos lief.
Im Film hieß das Fußballtraumland USA, für Ariane Hingst und Nadine Angerer heißt es Schweden. "Dort gibt es eine sehr, sehr starke Liga mit Spielerinnen aus Norwegen, Brasilien und Amerika", sagt die Torhüterin, die neben Hingst eine belgische und eine finnische Nationalspielerin im Team hat. Der Unterschied zur deutschen Bundesliga? "Fast alle Spielerinnen haben dort eine professionelle Einstellung", sagt die Verteidigerin, "in Deutschland beißen nur die, die im Nationalteam oder in dessen Umfeld stehen." Die beiden deutschen Legionärinnen müssen auf Angriff spielen, denn der Frauenfußball in Schweden ist körperlicher und athletischer als in Deutschland, wo mehr Wert auf den gepflegten Kurzpass gelegt wird. Wobei Ariane Hingst schon angekündigt hat, dass sie es nicht übertreiben möchte mit dem Krafttraining, sondern sich eher als Spielkulturbeauftragte sieht.
Nadine Angerer schwärmt derweil vom neuen Land und neuen Leuten. "Ich bin sehr gut aufgenommen worden in Stockholm", sagt sie. Ihre Dreizimmerwohnung hat die 29-Jährige von der norwegischen Klasse-Torfrau Bente Nordby übernommen, deren Führungsrolle soll sie auch bald im Team von Djurgarden IF Damfotbollsförening spielen. Täglich büffelt sie vier Stunden Schwedisch. Wichtig sind vor allem fußballspezifische Begriffe: "Zum Beispiel ,Ställ om!‘", sagt Angerer und grinst breit. Heißt so viel wie "Umschalten!" und ist für eine Torfrau ganz wichtig, wenn sie einen Ball abgefangen hat.
"Ein wichtigstes Wort gibt es nicht im Fußball", sagt Hingst, "genauso wenig wie einen wichtigsten Titel." Womit sie auf auf die Olympischen Spiele im August anspielt. Olympia-Gold fehlt noch in der Sammlung der 142-fachen Nationalspielerin, die wie Angerer Ende September 2007 in China Weltmeisterin geworden und seit 872 Minuten ohne Gegentor geblieben ist. Dass die sportliche Emigration ein Nachteil im Kampf um einen Stammplatz im Nationalteam ist, glauben beide nicht. "Auch dort werden wir beobachtet", sagt Nadine Angerer.
Nationaltrainerin Silvia Neid wird ihre Spielerinnen auch am Mittwoch beim Spiel gegen Dänemark (14.15 Uhr/live im ZDF) beginnenden Algarve Cup in Portugal (bis 12. März) unter die Lupe nehmen, um das Olympiateam zu benennen. Da sind fußballverrückte Mädchen wie in Freiburg natürlich angenehmer: "Wir sind auf dem besten Weg, Idole im Frauenfußball zu schaffen", sagt Hingst, "warum sollen die deutschen Mädchen wie Michael Ballack kicken wollen, wenn es auch Stars wie Birgit Prinz oder Simone Laudehr gibt?"
Die Begeisterung war weit nach dem letzten Kurzpass in Freiburg noch so groß, dass niemand dem dunkelhaarigen Mann Beachtung schenkte, der mit dem Handy am Ohr, in Anzug und schwarzem Rollkragenpulli, zu seinem Auto ging, um nach Hause ins nahe gelegene Schönau zu fahren. Es war Joachim Löw, der Männer-Bundestrainer.
Aus der FTD vom 05.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: reuters
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