Aktionäre müssen Irreführung nachweisen

von Hubert Beyerle

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer Grundsatzentscheidung bestätigt, dass geschädigte Aktienanleger individuell nachweisen müssen, durch Fehlinformationen der Firmenleitung zum Aktienkauf verleitet worden zu sein.

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Nur wenn dieser Zusammenhang im Einzelfall eindeutig ist, haben sie vom Unternehmensvorstand später Anspruch auf Schadenersatz. Der BGH wies am Montag (Az: II ZR310/06) wieder einmal einen Fall eines geschädigten Anlegers der Skandalfirma Comroad zurück an das Oberlandesgericht Frankfurt. Dieses hatte zuvor die Nachweispflichten lockerer interpretiert "Der BGH bleibt damit bei seiner strikten Linie, die einen hohen Begründungsaufwand erfordert. Für viele Anleger ist dieser nur schwer zu erbringen", sagt Felix Weigend von der Kanzlei Rotter, die viele Comroad-Anleger vertritt.

Der BGH weist damit die US-amerikanische "fraud-on-the-market-Theorie" zurück. In den USA müssen Kläger auf Schadenersatz lediglich nachweisen, dass sie eine bestimmte Aktie in einem fraglichen Zeitpunkt gekauft haben und diese in diesem Zeitraum eindeutig überteuert war, Fehlinformationen des Unternehmens also im Aktienkurs eingepreist waren.

Im aktuellen Comroad-Fall ist der damalige Vorstandsvorsitzende Bodo Schnabel strafrechtlich bereits wegen Fehlinformationen zu siebenjähriger Haft verurteilt. Dennoch hatten bislang nur einzelne Comroad-Aktionäre mit Schadenersatzklagen Erfolg, wenn sie eine Kausalkette von Fehlinformationen und Aktienkaufentscheidung nachweisen konnten. "Comroad-Chef Bodo Schnabel hat vor Gericht bereits eingeräumt, dass er ohne die Fehlinformationen Comroad gar nicht an die Börse hätte bringen können. Für das Oberlandesgericht Frankfurt reichte das als Beleg aus. Diese Auslegung hat der BGH nun leider verworfen", sagte Weigend .

Der ehemalige Comroad-Vorstandsvorsitzende Bodo Schnabel
 Der ehemalige Comroad-Vorstandsvorsitzende Bodo Schnabel

Comroad war 1999 an den Neuen Markt gegangen. Über 90 Prozent seiner damals bilanzierten Umsätze waren, wie sich später herausstellte, frei erfunden. Die Aktie stieg im September 2000 bis auf knapp 65 Euro, Ende 2002 war sie nach Aufdeckung der Fehlinformationen annähernd wertlos.

Der BGH ist mit seinem Urteil am Montag seiner Linie treu geblieben. Allerdings hatte das Gericht bereits 2004 in einem ähnlichen Fall das Konzept der "Anlagestimmung" eingeführt. Demnach kann es Ausnahmen von der strikten Pflicht zum Kausalitätsnachweis geben, wenn es eine so genannte "Anlagestimmung" gibt, also eine am Markt so einhellige Meinung, dass man sich dem "Sog" nicht entziehen kann. Erst im Januar hat der BGH in zwei weiteren Urteilen (Az. IIZR229/05 und 68/06) bestätigt, dass die Annahme einer Anlagestimmung den Klägern zugute kommen kann. Allerdings ist dafür ein Sachverständigengutachten notwendig. Obwohl das Konzept damit in der Rechtssprechung theoretisch existiert, ist es bislang noch in keinem Fall angewandt worden. "Es ist zu hoffen, dass diese Konzept auch einmal zum Einsatz kommt", sagt Weigend.

Für Anleger, die innerhalb der ersten sechs Monate nach Börsengang kaufen und später durch Kursverlust geschädigt werden, gibt es eine deutlich günstigere Rechtslage: die börsengesetzliche Prospekthaftung. Dann kann der Anleger auf die Erstattung des Einstandspreises klagen, wenn im Börsenprospekt eindeutig falsche Informationen standen. "Ein unbegrenzter Schadenersatzanspruch würde dazu führen, dass alle Comroad-Aktionäre aus dieser Zeit einen Anspruch auf Entschädigung hätten", sagt Anwalt Ferdinand Unzicker, der Bodo Schnabel vertritt. "Im Vergleich zu allen anderen Aktionären, die am Neuen Markt viel Geld verloren haben, hätten die Comroad-Aktionäre dann sogar noch Glück2, so Unzicker. "Das kann nicht sinnvoll sein. Außerdem will BGH will die Entstehung einer Klageindustrie wie in den USA vorbeugen. Die amerikanische fraud -on-the-market-Theory' passt nicht ins deutsche Rechtssystem."

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FTD.de, 04.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: comroad

 

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