Wer die Geschichten von Andreas Krugmann hört, dem kann die Lust am Reisen schnell vergehen. Da gibt es den Mitarbeiter, der auf einer Geschäftsreise nach Mexiko-Stadt niedergestochen wurde und im Krankenhaus die falsche Blutkonserve bekam. Dann die vom Chef einer kleinen Firma, der in Singapur mit Herzinfarkt zusammenbrach. Oder die Story vom mitten in Australien mit dem Auto schwer verunglückten Vertriebsmitarbeiter.
Krugman ist Experte für Krisenfälle auf Geschäftsreisen beim Reiseversicherer Elvia: "Keiner der Vorfälle ist erfunden, ich könnte noch viel mehr erzählen." Laut Gerd Otto-Rieke vom Verband Deutsches Reisemanagement (VDR) nimmt die Zahl der Geschäftsreisen stetig zu. Gerade M-Dax-Unternehmen trieben die Globalisierung maßgeblich mit voran. "Solche Unternehmen lassen etwa Getreideabfüllanlagen in Somalia entstehen, bauen Solarkraftwerke in Marokko auf oder recyceln Kunststoffe in China", sagt Otto-Rieke. Gerade diese boomenden Firmen aber, die vor 15 Jahren noch mit zehn Mitarbeitern angefangen haben und heute 2000 Beschäftigte verteilt über 20 Dependancen weltweit haben, sind oftmals auch jene, die keine richtige Krisenmanagement-Kultur im Unternehmen verankert haben.
Das sei einerseits zwar verständlich, sagt Krugmann. "Es lief ja auch bisher alles wie am Schnürchen - tritt aber der erste ernsthafte Krisenfall auf, zeigen sich oft erschreckend schnell die eklatanten Versäumnisse im Umgang mit Krisen." Das könne dann auch schnell sehr teuer werden. Ein Notfallrücktransport mit dem Flugzeug kann leicht größere fünfstellige Eurobeträge verschlingen.
Der Experte rät daher unbedingt dazu, sich mit dem Thema Krisenbewältigung auf Geschäftsreisen zu beschäftigen. Der erste Schritt zu einem guten Krisenmanagement sei, die verantwortlichen Personen in einem Unternehmen an einen Tisch zu bringen, sagt Krugmann. Dazu gehören in jedem Fall Travelmanager, Versicherungsexperte, Medizinischer Leiter, Personalchef, Betriebsrat - und vor allem jemand aus der Geschäftsführung.
Sie müssen diskutieren, was für die Firma im speziellen Fall überhaupt eine Krise ist - und wie man damit umgehen will. "Es fängt mit verlorenen Flugtickets, Hotelfehlbuchungen und geklautem Portemonnaie an - und geht bis hin zur Entführung von Mitarbeitern", sagt Otto-Rieke. Unabhängig von der Größe des Unternehmens sollten daher immer die grundsätzlichen Fragen geklärt sein: Wer fliegt, wohin fliegt die Person? Was macht sie am Ankunftsort, wie lange wird sie wo bleiben? Was kann passieren, welche Krisen können auftreten? "Am wichtigsten ist, dass eine Person im Unternehmen für das Krisenmanagement hauptverantwortlich und damit ständiger Ansprechpartner ist", sagt Krugmann. Diese Person müsse nicht unbedingt alles selbst lösen können, aber sie muss auf jeden Fall wissen, wer in welchem Fall anzusprechen ist. Das können dann auch externe Dienstleister sein.
Versicherungen bieten etwa den Service der sogenannten Assistances an. Unter einer Hotline können Versicherte dort rund um die Uhr Notfallhilfe erbitten. "Ob man in Washington beim Rauchen auf offener Straße verhaftet worden ist, Hilfe benötigt, weil man in Barcelona bis auf das letzte Hemd beklaut wurde oder in einem Krankenhaus im Kongo mit dem Verdacht auf Malaria liegt - die psychologisch geschulten Mitarbeiter wissen Rat und organisieren über ihre Kontakte häufig direkt Hilfe vor Ort", sagt Krugmann.
Beim Bestimmen des Aufenthaltsorts von Mitarbeitern kann auch der Einsatz eines Traveller Localizers helfen, sagt Otto-Rieke. Dabei handelt es sich um eine Software, die aus den Buchungsdaten für Hotel, Flug und den geplanten Terminen für jeden Reisenden ermittelt, wo er sich zu einer bestimmten Zeit am wahrscheinlichsten aufhält.
Bei den Terroranschlägen in London vor zwei Jahren hatte jede größere Firma Mitarbeiter vor Ort. Mit dem Traveller Localizer konnte bestimmt werden, wo sie sich wahrscheinlich zur Tatzeit befunden haben. So konnte gezielter entwarnt oder gesucht werden.
"Wichtige Partner beim Krisenmanagement sind natürlich auch die Reisebüros selbst", sagt Krugmann. Sie könnten den Aufenthaltsort auch ohne Spezial-Programm anhand der Buchungsdaten einigermaßen sicher bestimmen. Bei längeren Auslandsaufenthalten zahlen sich darüber hinaus Lehrgänge zum "Interkulturellen Training" aus. So sei man besser auf die jeweiligen Landessitten vorbereitet und vermeide die gröbsten Fauxpas. "Aber auch für Kurzreisen gilt: eine gute Vorbereitung - auch des Reisenden selbst - ist der Garant für eine problemfreie Geschäftsreise", sagt Otto-Rieke.
Aus der FTD vom 26.02.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: FTD.de
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