Es fällt schwer, anschließend das "Lob der Elite" zur Hand zu nehmen. "Warum wir sie brauchen", will Heike Schmoll begründen. Aber wer ist dafür schon offen, überhaupt noch empfänglich? Nachdem er zuvor Julia Friedrichs' "Gestatten: Elite" gelesen hat. Die junge Journalistin, Jahrgang 1979, ist "auf den Spuren der Mächtigen von morgen" in ganz Deutschland herumgefahren, um sich den Nachwuchs der Elite anzugucken. Wer ist das eigentlich, wie ticken diese Männer und Frauen, und was macht sie zur Elite?
Was Friedrichs von ihren Reportagereisen zu Eliteuniversitäten und Elite-Internaten zurückbringt, ist ernüchternd. Dabei hat sie auf ihren Fahrten freundliche und intelligente Menschen getroffen, leistungsbereit und -fähig. Gut, zugegeben: mit stierem Blick auf die eigene Karriere. Geld, Status, Macht, darum geht es. Viel verschleiert wird da nicht.
Zwischendurch trifft sich Friedrichs in einem Berliner Café mit Michael Hartmann, dem Elitenforscher. Und der zieht ihr erst mal den Zahn mit der Leistung. Sich über die eigene Leistung zu den Besten aufzuschwingen, das ist fair. Aber wie Hartmann in "Der Mythos von den Leistungseliten" empirisch unwiderlegbar festgestellt hat, entscheidet nicht die Qualifikation, sondern die soziale Herkunft über den Aufstieg: "Das Elternhaus beeinflusst den Zugang zur deutschen Elite ganz direkt."
Ein Hamburger Forscherteam, das die Lebenswege von Schulabgängern 20 Jahre lang begleitet hat, kommt im Buch zum gleichen Schluss. "Früher haben wir wirklich geglaubt, dass man durch Bildung aufsteigen kann", resümieren die Forscher. "Inzwischen wissen wir: In Deutschland ist das eine Illusion. Nach wie vor ist die soziale Schicht, aus der jemand kommt, entscheidend für den gesamten Lebensweg."
Was bei Forschern wie Hartmann trockene Empirie bleibt, füllt Julia Friedrichs mit Leben. In den Gesprächen mit Schülern, Stipendiaten und Studenten wird klar, worum es geht in all den exklusiven Zirkeln: um die Aufnahme in ein Netzwerk. Dafür zahlen die Eltern. Und dass sie dafür zahlen können - also reich sind -, reicht als Billett für das Netzwerk der Mächtigen aus. Ein Zirkelschluss. Es geht darum, Macht und Einfluss zu vererben. So was Elite zu nennen ist - mit Verlaub - dreist.
Das ist so erschreckend simpel und wird von der eigentlich gutwilligen Julia Friedrichs so anschaulich und überzeugend vermittelt, dass Heike Schmoll im Grunde keine Chance hat mit "Lob der Elite". Aber Moment mal! Schmoll redet ja genau wie Julia Friedrichs und Michael Hartmann, ereifert sich über angebliche Elitehochschulen, die mit "naiver Emphase" die Wiederentdeckung der Eliten feiern und doch nur "Reproduktionsstätten sozialer Zugehörigkeiten" sind.
Und das ist nur der Anfang. Gleich darauf werden Spitzenmanager abgewatscht, Dünkel, Selbstgefälligkeit und Machtmissbrauch gegeißelt. Lob klingt anders. Das weiß Schmoll auch, also holt sie etwas weiter aus. Arg weit, zugegeben, aber sie kommt nach ausführlichen Ausflügen in die griechische und römische Antike, zu Adel und zu Protestantismus endlich bei dem an, auf das von Anfang an zugesteuert ist: auf das humanistische Bildungsideal.
Aus der FTD vom 07.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland
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