Steve Ballmer ist nach Hannover gekommen, um dem Cebit-Publikum seine Vision von der nächsten digitalen Revolution zu vermitteln. Die Botschaft des Microsoft-Chefs zur Eröffnung der IT-Messe: Von der Umwälzung werden nicht nur gestresste Manager profitieren, für die in Zukunft intelligente Software Reisen zur Cebit ganz von alleine planen wird. Auch für kranke Menschen wird es besser. Der Arzt kommt in Zukunft über Internetanschluss und Fernseher selbst in entlegensten Gebieten zum Patienten.
Die wohlhabend alternde Gesellschaft lockt neue Anbieter auf den Gesundheitsmarkt: Google legt in einer Klinik in Ohio elektronische Krankenakten an, Microsoft mischt schon länger mit. Hoffnungen, von dem Markt E-Gesundheit einen Teil abzubekommen, machen sich allen voran die Telekomkonzerne: Sie kämpfen angesichts des Preisverfalls für Telefonie gegen sinkende Umsätze und fahnden nach neuen Einnahmequellen.
"Gesundheitswirtschaft gehört zu den Gebieten, auf denen wir die größten Wachstumschancen sehen", sagt Barbara Dalibard, Chefin von Orange Business. Im Fokus der Konzerne steht dabei die Telemedizin, also der digitale Transport von Daten wie Herzfrequenzen oder Blutdruck. "Der Markt für IT und Telekommunikation im Gesundheitswesen soll in Deutschland bis 2012 auf ein Volumen von 1,4 Mrd. Euro pro Jahr wachsen. Wir rechnen daher auch mit einem starken Plus der Telemedizin", sagt T-Systems-Manager Hubert Haag. Derzeit liegen die gesamten Erlöse mit E-Gesundheit aber bei lediglich 55 Mio. Euro.
Wie signifikant der Markt tatsächlich wachsen wird, darüber lässt sich streiten. "Über Telemedizin wird seit langer Zeit diskutiert", sagt Gartner-Analystin Katja Ruud. "Erst jetzt stehen kommerzielle Angebote aber zur Verfügung", fügt sie hinzu. Schätzungen und Prognosen liegen zudem zum Teil eklatant auseinander. Euphorie scheint verfrüht.
Der IT-Berater Frost & Sullivan schätzt die Umsätze mit Telemedizin 2007 in Europa auf 118 Mio. Euro, der Markt werde jährlich um zehn Prozent zulegen. Gartner ist zurückhaltender: Demnach wird der weltweite Markt für Fernmonitoring von 152 Mio. Euro 2006 auf 332 Mio. Euro bis 2009 wachsen, wobei hier auch die Überwachung von Gegenständen als größte Position einfließt.
"In Europa werden die Budgets staatlich erteilt. Es wird daher noch drei Jahre dauern, bis der Markt Massenreife gewinnt", sagt Aarati Ajay von Frost & Sullivan. Denn Krankenhäuser müssten zunächst ihre Infrastruktur erneuern. Doch der Staat ist unzuverlässig. Seit zwei Jahren sollte die elektronische Gesundheitskarte in Deutschland eingeführt sein, Realität wird sie wohl erst 2010. Zudem sind Fragen der Abrechnung mit den Krankenkassen noch offen.
Dabei argumentieren die Telemedizin-Optimisten gerade mit sinkenden Kosten. Über Sensoren können etwa Herzströme von Herzkranken ständig überwacht werden, der Sensor sendet einen Notruf per Mobilfunk an das nächste Krankenhaus, sobald Probleme auftreten. Der Arzt kommt erst im Notfall, unnötige Einsätze oder lange Aufenthalte im Krankenhaus entfallen.
"Telemedizin könnte zum großen Geschäft werden. Unklar ist aber, wie viel vom Kuchen die Telekomkonzerne abbekommen können", sagt Analystin Ruud. Schließlich stünden sie hier in Konkurrenz mit vielen anderen Anbietern, die sich früher positioniert hätten.
Die Geschäftskundensparte der Telekom führt derzeit ein Telemedizin-Pilotprojekt in Friedrichshafen durch und sieht sich in einer komfortablen Position. Schließlich habe die Telekom den Zuschlag erhalten, das Kernnetz für die Gesundheitskarte zu betrieben. Manager Haag schätzt, dass zehn Prozent der Versicherten bis 2012 über Telemonitoringsysteme vernetzt sein werden.
Die Ferndiagnose von Gartner-Analystin Ruud: "E-Gesundheit wird fallende Telefonieumsätze lindern, aber nicht ausgleichen."
Aus der FTD vom 05.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: siemens.com
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