Zugleich wurde betont, dass Betriebe und Abteilungen, die "überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen befördern", weiterhin den Mindestlohn zahlen müssen. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) zeigte sich dagegen hochzufrieden mit dem Urteil. "Es zeigt, dass Mauscheleien vor Gericht keinen Bestand haben."
Das Verwaltungsgericht erklärte es für rechtswidrig, dass der zwischen den Tarifparteien der Post ausgehandelte Mindestlohn auch für die Post-Konkurrenten gilt, die einen anderen Tarifvertrag haben - wie es bei den Klägern, TNT Post und der mittlerweile insolventen Pin Group, der Fall ist. Damit habe der Arbeitsminister die gesetzliche Ermächtigung überschritten, die nur Verordnungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ohne Tarifbindung erlaube, so das Gericht.
Wenn es bestätigt wird, hat das Urteil enorme Auswirkungen. Derzeit liegt Scholz ein Antrag auf Mindestlohn der Zeitarbeitsbranche vor, bei dem es das gleiche Problem gibt: zwei konkurrierende Tarifverträge und ein Arbeitgeberverband, der den Mindestlohn strikt ablehnt.
Das Urteil "weicht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes und des Bundesarbeitsgerichtes ab", begründet dagegen das Ministerium die Berufung. Das Berliner Urteil ist für Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) brisant: Denn der Entwurf für ein neues Entsendegesetz, den er im Januar an die Ressorts zur Abstimmung verschickte, sieht vor, dass auch künftig der Mindestlohn einer Branche ausnahmslos für alle Arbeitnehmer gilt - und konkurrierende Verträge damit ausgehebelt sind.
Die Post-Konkurrenten begrüßten die Entscheidung. "Das ist ein wichtiger erster Schritt für mehr Wettbewerb bei der Briefpost", sagte TNT-Post-Geschäftsführer Mario Frusch der FTD. "Unsere Rechtsauffassung wurde bestätigt", betonte er. "Das Urteil ist richtungsweisend", sagte Hermes-Logistik-Chef Hanjo Schneider. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Oberlandesgericht diese Entscheidung kassieren wird", sagte er. Der Staat solle sich aus der Lohnfindung heraushalten. Hermes ist die Paket- und Logistiktochter des Versandhandelskonzerns Otto und an TNT Post beteiligt.
Die Post bezeichnete die Entscheidung des Gerichts dagegen als "sehr bedauerlich". "Der Wettbewerb könnte sich bestärkt sehen, mit Dumpinglohnmodellen Konkurrenz auf dem Postmarkt zu machen. Das wollte die Politik verhindern", sagte ein Post-Sprecher.
Tatsächlich zahlt TNT Post, der bundesweit größte Konkurrent des Ex-Monopolisten Deutsche Post, seinen rund 6000 Postzustellern einen Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde in Westdeutschland und 6,50 Euro im Osten. Der mittlerweile wegen einer Steueraffäre abgetretene Post-Chef Klaus Zumwinkel hatte im vergangenen Dezember durch geschicktes Werben innerhalb der Bundesregierung einen Mindestlohn von 9,80 Euro (West) und 9 Euro (Ost) durchgesetzt.
Vor allem die Sozialdemokraten erklärten den Mindestlohn zu ihrer Sache und zogen damit in die Landtagswahlkämpfe von Hessen und Hamburg. Größter Einzelaktionär der Deutschen Post ist der Bund, der über die KfW Bank 31 Prozent hält.
Die Konkurrenten der Deutschen Post hatten die Mindestlohnverordnung als wettbewerbsfeindlich und protektionistisch kritisiert. TNT-Post-Chef Frusch hatte immer wieder betont, dass sich sein Unternehmen aus Deutschland zurückziehen werde, falls der zwischen der Deutschen Post und Verdi vereinbarte hohe Mindestlohn weiter gelten sollte. "Das sind Zusatzkosten für uns von 25 Prozent, die können wir flächendeckend nicht schultern", sagte er.
Aus der FTD vom 10.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: dpa
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