Vor einiger Zeit bat mich eine Freundin, ihr eine Referenz zu schreiben. Diese Freundin ist witzig, intelligent und gebildet und hatte über als 20 Jahre hinweg hohe Posten in der Fernseh- und Zeitungsbranche inne. Die Stelle, um die es nun ging, war jedoch das vollkommene Kontrastprogramm: Meine Freundin hatte sich als Empfangsdame in einem kleinen Bürogebäude beworben.
Für eine kluge Frau von fast 50 Jahren schien mir das eine recht eigenwillige Berufswahl. Dennoch schrieb ich ihr die Empfehlung - und sie bekam den Job.
Vergangene Woche fragte ich sie dann bei einem Mittagessen, wie es ihr gehe. Sie antwortete, dass ihr zum ersten Mal im Leben ihre Arbeit richtig Spaß mache. Endlich habe sie eine Stelle, die nur die schönen Seiten der Büroarbeit mit sich bringe. Ihre tägliche Routine sei wohltuend, die Arbeit angenehm und leicht zu erledigen, und um Punkt sechs könne sie nach Hause gehen. Das Arbeitspensum sei immer zu bewältigen, es gebe keine hässlichen Konkurrenzkämpfe, keine nagende Angst, dass man der Aufgabe nicht gewachsen sei und andere besser seien.
Das Beste aber sei, sagt meine Freundin, dass der Job als Empfangsdame nicht ihr ganzes Denken und ihr ganzes Leben einnehme. Vielmehr lasse er ihr viel Spielraum, ihren Gedanken nachzuhängen. Das Einzige, was nicht ganz so berühmt sei, sei das Geld. Aber sie komme über die Runden. Deshalb mache ihr das auch nichts aus.
Nach unserem Mittagessen führte sie mich dann zu dem Ort solch großer Glückseligkeit. Ich inspizierte ihren modernen Schreibtisch, von dem aus sie durch große Fenster auf die Bäume im Park blickt. Ich stellte mir vor, wie ich selbst all den Hedge-Fonds-Managern, die hier ein- und ausgehen, zulächle und sage: "Hallo, heute ist es etwas milder, finden Sie nicht?"
FTD.de, 16.02.2008
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