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Kolumne

Wolfgang Münchau: Möchtegern-Revolutionäre

von Wolfgang Münchau

Wir Deutsche können alles außer Revolution. Entsprechend zeigen sich die Rebellen gegen SPD-Chef Kurt Beck als Technokraten, die nicht einmal eine eigene Strategie haben.

ZUM THEMA

Es gibt eine Qualität, über die wir Deutschen nicht verfügen, die Briten übrigens auch nicht, die Franzosen, Russen und Amerikaner dafür umso mehr: Wir sind extrem schlechte Revolutionäre. Unsere 1848iger-Revolution war ein typisches Beispiel für die Unfähigkeit, Revolutionen mit Erfolg zu Ende zu bringen. Wir klopfen zwar gern auf den Tisch, uns fehlt aber irgendwie die letzte Konsequenz.

Die Palastrevolution in der SPD ist dafür ein weiteres Beispiel. Man wartete in diesem Fall, bis der zu Stürzende krank wird. Dass Becks Grippe so stark war, dass er nicht einmal reden konnte, entpuppte sich als scheinbar gute Gelegenheit für Peer Steinbrück, ein Interview zu geben, in dem er sich über seinen Chef beschwert. Es wird berichtet, dass Steinbrück und eine Reihe gestürzter SPD-Chefs den jetzigen Vorsitzenden an seiner Kanzlerkandidatur hindern wollen. Steht Beck also möglicherweise vor einem kompletten Sturz? Wird Frank-Walter Steinmeier der Kanzlerkandidat der SPD? Natürlich nicht.

Angedichtete Folklore

Man kann dem politisch unerfahrenen Außenminister journalistisch noch so viel Folklore andichten. Aber man sollte sich in Erinnerung rufen, dass dieser Mann noch nie zu irgendetwas Wichtigem gewählt wurde. Steinbrück erbte 2002 den Thron des NRW-Ministerpräsidenten und verlor prompt seine erste Wahl, und dies in einem Land, in dem die SPD ähnlich stark verankert war wie die CSU in Bayern. Müntefering war als SPD-Chef nicht einmal in der Lage, im Vorstand seinen Kandidaten für das Amt des Generalsekretärs durchzusetzen Trotz ihrer Beliebtheit bei Berliner Journalisten ist das nicht gerade eine Furcht einflößende Truppe.

Die Revolte bei der SPD ist noch lächerlicher als der Versuch auf dem Bremer Parteitag der CDU 1989, den damaligen Kanzler Helmut Kohl zu stürzen. Auch damals gab es viel Aufregung. Am Ende erwies sich Kohl als der um Längen erfahrenere Politiker, der Kritiker Lothar Späth, Heiner Geißler und Rita Süßmuth mühelos auflaufen ließ.

Haben sich die SPD-Revoluzzer überhaupt überlegt, was passiert, wenn der Bär aus Mainz aufwacht und wieder anfängt zu reden? Im Gegensatz zu Steinbrück hat Beck seine Landtagswahl 2006 gewonnen, und zwar so überzeugend, dass er allein ohne Koalitionspartner regieren kann. Das Grundproblem von Becks Kritikern ist, dass sie ihre Karriere als Technokraten der zweiten Reihe verfolgt haben. Sie haben wie Steinmeier und Müntefering Wahlen für andere gefochten und gewonnen, aber nicht für sich selbst. Mit solchen Werdegängen wird man in der Regel noch Finanzminister oder Parteigeneralsekretär. Außenminister zu werden ist für einen Nichtpolitiker schon eine Seltenheit, nicht nur in Deutschland. Kanzler wird man damit nicht. An Beck führt in der SPD momentan kein Weg vorbei, auch wenn die Umfragewerte momentan sehr schlecht für ihn sind.

Ein weiteres Problem ist, dass die Möchtegern-Revolutionäre zwar einem Unbehagen unter konservativen Sozialdemokraten Ausdruck geben, aber keine alternative Strategie anbieten. Sie haben keinen glaubwürdigen Plan, die Linkspartei überflüssig zu machen.

Eine denkbare Strategie wäre, die SPD inhaltlich nach links zu schwenken und zugleich jede Zusammenarbeit mit der Linkspartei abzulehnen, auf allen Ebenen. Ich glaube nicht, dass das funktionieren würde, aber es wäre zumindest der Ansatz einer Strategie. Eine weitere Möglichkeit wäre, die Voraussetzung für Ampelkoalitionen zu schaffen. Das scheitert momentan an der FDP. Selbst wenn Steinmeier ein guter Kanzlerkandidat wäre - was ich für unwahrscheinlich halte -, wird sich ein potenzieller SPD-Wähler fragen, was dessen Wahlkampf bezwecken sollte. Wenn Steinmeier eine Koalition mit den Linken ausschließt und die FDP keine Ampelkoalition will, dann kann die SPD nicht den Kanzler stellen. Steinmeier wird schließlich nicht die Wahl gewinnen und eine rot-grüne Mehrheit aus dem Hut zaubern. Das ist selbst Gerhard Schröder, dem talentiertesten aller SPD-Wahlkämpfer, nicht gelungen.

Machtfülle dank Angela Merkel

Meine Theorie ist, dass das Gespenst einer Steinmeier-Kandidatur lediglich dazu dient, die SPD wieder als Juniorpartner in eine Große Koalition zu führen. Steinmeier und Steinbrück haben überhaupt kein Interesse an einem Wahlsieg der SPD. Als SPD-Technokraten in den Rollen des Außenministers und des Finanzministers genießen sie eine Machtfülle innerhalb der Regierung und der Partei, die sie in einer von Kurt Beck geführten Regierung nicht hätten. Mit Angela Merkel an der Spitze einer Großen Koalition lebt es sich aus deren Sicht exzellent. Die SPD-Revoluzzer wollen Beck als Kanzlerkandidaten verhindern, weil Beck eine Chance hätte, Bundeskanzler einer rot-rot-grünen Koalition zu werden. Dann gäbe es einen grünen Außenminister und einen dunkelroten Finanzminister.

Ich glaube, dass viele SPD-Wähler und vor allem SPD-Politiker diese billige Masche durchschauen. Die SPD wird ohne einen Verbund mit den Linken und den Grünen keine Wahl gewinnen. Und nur solange diese Möglichkeit real ist, wird man die FDP in eine Ampelkoalition zwingen, denn das wäre die einzige wirkliche Alternative. Eine Neuauflage der Großen Koalition mag zwar dem einen oder anderen Politiker nutzen. Aber für ein Land ist es nicht gut, über längere Phasen von den zwei größten Parteien regiert zu werden. Dann wird sich die Linke noch viel stärker etablieren, als das jetzt schon der Fall ist. Ich halte es für die beste Strategie, die Linke zu bekämpfen, indem man sie in die Regierungsverantwortung einbezieht.

Beck wäre gut beraten, seine Strategie konsequent fortzusetzen und sich, wenn nötig, weitere Rückendeckung zu sichern. Die Steinmeiers und Steinbrücks würden jede direkte Konfrontation mit Beck verlieren, genauso wie Müntefering. Es wäre das Ende ihrer sehr kurzen politischen Karriere. Sie werden einlenken und Beck gewähren lassen.

Und so bleibt lediglich der fade Geschmack einer selbst für deutsche Verhältnisse inkompetenten Palastrevolution.

Wolfgang Münchau ist FTD- und FT-Kolumnist. Er leitet den Informationsdienst Eurointelligence.com.

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Aus der FTD vom 05.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland

 

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