Bund kippt Schornsteinfegerprivileg

Nach 70 Jahren die erste Lockerung: In Deutschland soll das Kehrmonopol für Schornsteinfeger teilweise gelockert werden. Ein Gesetzentwurf könnte den 20.000 Schornsteinfegern etwas bescheren, was sie noch nicht kennen - Konkurrenz.

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Nach jahrelangem Streit brachte das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin einen Gesetzentwurf auf den Weg, nach dem künftig soll jeder Bezirk alle sieben Jahre neu ausgeschrieben werden soll. Bislang beherrschten deutsche Schornsteinfeger ihren Kehrbezirk bis zur Rente - ohne Wettbewerb. Auch wird der abgeschottete Markt auf Druck der EU erstmals für Ausländer geöffnet.

Die EU-Kommission hatte 2003 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Das alte Schornsteinfegergesetz verstoße gegen den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr, weil ausländische Schornsteinfeger auf deutschen Dächern nicht kehren dürften, kritisierte Brüssel. Nun können auch Schornsteinfeger aus Polen, Österreich oder Frankreich in Deutschland arbeiten.

Einen Teil des Monopols will Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) aber erhalten: "Das Schornsteinfegerhandwerk leistet einen wichtigen Beitrag für die Feuersicherheit und den Umweltschutz in Deutschland", sagte Glos. Die Schornsteinfeger hätten allein 2005 fast 1,2 Millionen Mängel an Feuerungsanlagen festgestellt.

"Lizenz zum Gelddrucken"

Neu ist, dass jeder Haus- und Wohnungseigentümer freie Wahl hat, welchen Schlotfeger er mit der Wartung von Ofen oder Kamin beauftragt. Anschließend muss aber der Bezirksschornsteinfeger, der künftig Bezirksbevollmächtigter heißt, überprüfen, ob der Kollege oder ein Installateur sauber gearbeitet hat.

Zusätzlich darf er als einziger im Kehrbezirk zweimal im Vergabezeitraum eine "Feuerstättenschau" machen. Dabei prüft er Änderungen an der Anlage oder ob zum Beispiel eine neue Therme notwendig ist. Der Bundesverband des Schornsteinfeger-Handwerks geht nach früheren Angaben davon aus, dass 70 Prozent der Einnahmen den etablierten Schornsteinfegern erhalten bleiben. Bei den restlichen 30 Prozent gebe es freien Wettbewerb.

Die in der Interessengemeinschaft "Schornsteinfeger-ade" versammelten Kritiker attackieren das Privileg der Branche seit langem als "Lizenz zum Gelddrucken". Zwar musste ein Meister rund zwölf Jahre warten, bis ihm ein Kehrbezirk zugeteilt wurde. Danach bewegte er sich aber dank eines festen Kundenstamms und garantierter Gebühren im konkurrenzfreien Raum. Nur die Pflicht, im Kehrbezirk zu wohnen, deutscher Staatsangehöriger und Mitglied der Feuerwehr zu sein, sorgten für Einschränkungen. Die Sonderstellung der Schornsteinfeger stammt aus dem Jahr 1935.

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FTD.de, 12.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland

 

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