Einige SPD-Bundestagsabgeordnete schütteln nur noch den Kopf, wenn sie über Hessen sprechen. Dabei geht es nicht allein um den dilettantischen Versuch der SPD-Fraktionsvorsitzenden Andrea Ypsilanti, sich mit Hilfe der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Und auch gar nicht so sehr um das handwerkliche Gepfusche ihrer Spitzenkandidatin, die einfach nicht rechtzeitig mit der Landtagsabgeordneten Dagmar Metzger gesprochen hat, um zu erfahren, dass die das ganze Manöver nicht mitmacht.
Nein, den kopfschüttelnden Sozialdemokraten passt die ganze Richtung nicht. Ihnen ist unbegreiflich, dass ihre Genossen in Wiesbaden so hartnäckig an der Idee einer Minderheitsregierung unter Tolerierung durch die Linke festhalten - und dabei die ungeliebte und glanzlose, aber berechenbare Option einer Großen Koalition weit von sich weisen.
"Die Hessen haben mittlerweile eine richtige Wagenburgmentalität entwickelt", sagt einer aus der SPD-Fraktionsführung im Bundestag. "Aber wenn wir denen von Berlin aus gute Ratschläge geben, igeln sie sich noch mehr ein."
Auch andere Abgeordnete halten es für unklug, dass Ypsilanti und ihre Entourage immer noch eine Regierung bilden wollen, die von der Gnade der Linkspartei und damit indirekt von Oskar Lafontaine abhängig ist. Schon vor den Wirren um die Abgeordnete Metzger hatten Vertreter der Linken deutlich gemacht, dass nach ihrer Auffassung eine Minderheitsregierung Ypsilanti die Positionen der Linkspartei eins zu eins umsetzen soll.
Vorerst aber herrscht ein Patt in Wiesbaden: Die SPD-Vorsitzende hat keine stabile Mehrheit, um den Sprung in die Staatskanzlei zu wagen. Und die CDU mit ihrem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Roland Koch fährt mit ihrer abwartenden Haltung bisher gut.
Aus Sicht der Berliner Sozialdemokraten sollen ihre hessischen Parteifreunde in den nächsten Wochen und Monaten erst einmal realisieren, wie unbefriedigend dieser Zustand ist. "Dann werden vielleicht die ersten Fäden zwischen SPD und CDU gesponnen, um da herauszukommen", hofft ein Abgeordneter. Dass die FDP sich doch noch zu einer Ampelkoalition bewegen lasse, sei ebenso unwahrscheinlich wie eine Jamaika-Koalition.
Noch hält die CDU an Koch fest. Das wird in der SPD aber als Teil des Politpokers angesehen, um den Preis für die Einigung hochzutreiben. Der Schlachtruf aus dem Wahlkampf "Koch muss weg!" habe ja sogar Eingang in den jüngsten Beschluss des SPD-Bundesvorstands gefunden. Der Frankfurter CDU-Landtagsabgeordnete Ulrich Caspar drückt es vorsichtig aus: "Wenn wir jetzt unseren Spitzenkandidaten auswechseln würden, wäre das ja genau so ein Wahlbetrug wie bei Ypsilanti."
Einen Kompromisskandidaten zu finden, ist nicht einfach. Verteidigungsminister Franz-Josef Jung ist aus Sicht der SPD ebenso Teil des "Systems Koch" wie der hessische Innenminister Volker Bouffier.
Die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth vom liberalen CDU-Flügel wäre zwar für die Sozialdemokraten eher zu akzeptieren, sie steht der konservativen Landtagsfraktion allerdings fast so fern wie Ypsilanti. Die Suche geht also weiter.
Aus der FTD vom 12.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland
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