"Ich glaube, dass die Debatte nicht zu Ende ist, aber dass sie doch wieder in geordnete Bahnen kommt", sagt Becks Stellvertreterin Andrea Nahles. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Der Parteivorsitzende soll es richten und er muss es auch. Führungsstärke ist bei den Genossen jetzt gefragt. "Der Kapitän ist wieder an Bord und jetzt ist es auch ein bisschen gut mit dem wilden Gerede", sagt Nahles. "Ich hatte das Gefühl, dass wir ein bisschen zu viele Solisten in den letzten Tagen hatten."
Ausgangspunkt und Zielscheibe der Soli war Kurt Beck selbst, der seiner Partei kurz vor der Hamburg-Wahl eine Öffnung zur Linkspartei verordnet hatte. Ein Fehler, wie er einräumt. Durch eine Grippe außer Gefecht gesetzt, konnte Beck die Solisten nicht einfangen. "Es geht um die alte Erfahrung, dass, wenn die Katze aus dem Haus ist, die Mäuse etwas lebendiger tanzen", sagt Beck bei seinem ersten Auftritt nach überstandener Krankheit.
Vor allem der rechte Seeheimer Kreis und die reformorientierten Netzwerker haben Becks Flirt mit den Linken heftig kritisiert. SPD-Vize Peer Steinbrück, der Seeheimer und Netzwerker gegen die gut organisierte Parteilinke in Stellung bringt, macht keinen Hehl daraus, dass er eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der Lafontaine-Truppe in Westdeutschland für einen fatalen Fehler hält. Disziplinlosigkeit wurde dem Polterer vorgeworfen. Doch Steinbrück lässt sich von Widerspruch aus den eigenen Reihen nicht beirren.
Gemeinsam mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck soll er eine Drohkulisse für Beck aufgebaut haben. Hartnäckig halten sich Gerüchte, wonach Franz Müntefering als Übergangsparteichef Beck ablösen könne. Müntefering hat sich zwar aus der ersten Reihe verabschiedet, um seine kranke Ehefrau zu pflegen. Die Lust an der Politik hat der frühere SPD-Vorsitzende aber offenbar nicht verloren. Als das "schönste Amt neben dem Papst" hat er den Parteivorsitz einmal bezeichnet. Ein Dementi zu den aktuellen Spekulationen ist von ihm nicht zu hören.
Einen Putsch muss Beck momentan nicht fürchten. Inhaltlich ist er dem Steinbrück-Steinmeier-Flügel entgegengekommen. Die innerparteilichen Streitpunkte Bahnprivatisierung und Schuldenbremse hat er zur Chefsache erklärt. Und in Hessen hat er den Spuk um die Wahl Andrea Ypsilantis zur Ministerpräsidentin mit Hilfe der Linken vorerst beendet. Das finden alle gut.
Aber die Rechten sehen Beck auf Bewährung. Der Parteichef müsse Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, sagt Johannes Kahrs, Sprecher des Seeheimer Kreises. Der Streit über den Umgang mit der Linken ist ohnehin noch nicht beigelegt. Es gebe viele in der SPD, die sich vorstellen können, mit der Linkspartei zu kooperieren, sagt Kahrs. "Und es gibt welche wie mich, die sagen, ich kann nicht, ich will nicht, ich mag nicht."
Bekommt Beck die Flügel nicht in den Griff, steht der SPD eine Führungsdebatte ins Haus. Konservative Sozialdemokraten haben dem Parteichef bereits den Verzicht auf die Kanzlerkandidatur nahegelegt. Sie wittern die Chance, Außenminister Steinmeier zum SPD-Spitzenmann für die Bundestagswahl zu machen. Steinmeier gehört zwar auch zu den Kritikern des Linksschwenks, anders als Steinbrück hält er sich mit öffentlichen Äußerungen diplomatisch zurück.
Es gibt viel zu bereden für die SPD: Am Dienstagnachmittag nimmt Beck an der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion teil. Müntefering ist auch da.
FTD.de, 11.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland
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