Der ehemalige Europachef der CIA, Taylor Drumheller, sagte dem Magazin "Stern", das damals von Steinmeier geleitete Kanzleramt sei bereits im Herbst 2001 darüber informiert worden, dass der amerikanische Auslandsgeheimdienst in Europa Terrorverdächtige entführe und in Drittländer wie Ägypten oder Syrien bringe. Dort würden sie - möglicherweise unter Einsatz von Foltermethoden - verhört.
Drumheller widerspricht damit einer zentralen Aussage Steinmeiers. Dieser hatte vor einem Jahr vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt, erst Mitte 2004 von den sogenannten Renditions durch die CIA erfahren zu haben. Der heutige Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), Ernst Uhrlau, der 2001 als Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt arbeitete und am Donnerstag ebenfalls im Ausschuss aussagt, hat nach eigenen Angaben sogar erst Ende 2004 von den Entführungen und Überstellungen erfahren. Auch mit seinen Aussagen kollidieren die Äußerungen von Drumheller.
In der heutigen Sitzung des Untersuchungsausschusses geht es um eine dieser Entführungen: Der Deutsch-Syrer Mohammed Haydar Zammar wurde Ende 2001 auf Betreiben der CIA in Marokko verhaftet und unter bisher ungeklärten Umständen nach Syrien gebracht. Dort sitzt er seitdem in einem Gefängnis. Nach eigenen Angaben gegenüber deutschen Verhörbeamten wurde er gefoltert. Der Ausschuss will klären, ob deutsche Behörden durch die Weitergabe von Reisedaten Zammars an die CIA an der Verschleppung beteiligt oder gar vorab in die Pläne zur Entführung eingeweiht waren.
Die Frage, wann Steinmeier und Uhrlau von den Entführungsaktionen der CIA erfahren haben, steht dagegen nicht offiziell auf der Tagesordnung des Ausschusses. Der Außenminister wird bei Nachfragen dazu allerdings wohl bei seiner Darstellung bleiben, erst 2004 von den Verschleppungen erfahren zu haben.
Seine Parteifreunde in dem Gremium stützen Steinmeier in seiner Haltung. "Die Systematik der Rendition-Praxis der USA wurde erst Jahre später bekannt", sagte am Mittwoch Michael Hartmann, Sprecher der SPD-Fraktion in dem Ausschuss.
Auch die Opposition sieht den ehemaligen CIA-Mitarbeiter offenbar nicht als brauchbaren Kronzeugen, um Steinmeier anzuschießen. Es gebe "bestimmte Anhaltspunkte", dass Steinmeier und Uhrlau bereits Ende 2001 über das Entführungsprogramm der CIA informiert gewesen seien, sagte Hans-Christian Ströbele von den Grünen. Nur beweisen könne man das nicht, da noch kein entsprechender Zeuge gefunden worden sei. Der Ausschuss könne sich nicht auf die Aussagen eines CIA-Beamten stützen, der im "Stern" aussage.
Deutlich härter fällt die Kritik der Opposition beim eigentlichen Gegenstand der Ausschusssitzung aus - dem Fall Zammar. Norman Paech, Vertreter der Linksfraktion im Ausschuss, wirft den deutschen Behörden "Beihilfe zur Verschleppung" vor. So hätte der deutsche Staatsbürger Zammar vor seiner Ausreise nach Marokko laut Passgesetz keinen Pass erhalten dürfen, da er den Behörden als gefährlicher Islamist bekannt war, sagte Paech. Berlin habe Zammar loswerden wollen.
Zammar galt schon seit den 90er-Jahren als potenzieller Terrorist. 2001 soll er zum engsten Kreis um die Hamburger Zelle gehört haben, die die Terroranschläge vom 11. September verübte. Auch aus diesem Grund dürfte Steinmeier der Befragung gelassen entgegensehen: Die öffentliche Solidarisierung mit dem Entführungsopfer Zammar dürfte gering ausfallen. Die SPD weist Vorwürfe der Opposition zurück. "Deutsche Sicherheitsbehörden oder andere deutsche Stellen waren in keiner Weise in die Festnahme Zammars in Marokko und seine Auslieferung nach Syrien eingebunden", sagte Hartmann.
Aus der FTD vom 13.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: AP
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