Die Landesregierungen von Schleswig-Holstein und Hessen, die die automatische Erfassung eingeführt hatten und verklagt worden waren, erklärten nach der Urteilsverkündung, sie augenblicklich zu unterlassen. Wie bereits bei den Onlinedurchsuchungen mussten die Karlsruher Richter abwägen zwischen dem Schutz vor terroristischen Anschlägen und der Freiheit der Bürger. Das Urteil stärkt abermals den Datenschutz, ermöglicht den Ermittlungsbehörden aber auch, prinzipiell zu dem Instrument des Kennzeichenscannings zu greifen, wenn es die Situation denn erfordert.
Die Richter kritisierten, die beiden Landesgesetze seien zu unpräzise formuliert gewesen, weil sie weder Anlass noch Ermittlungsziele benannt haben. Ermittlungsmethoden dürften nicht einfach ins Blaue hinein angewandt werden, sagte Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier. In der Bevölkerung könne sonst ein Gefühl des Überwachtwerdens entstehen, das zu Einschüchterungseffekten führen könne, erklärten die Richter in der Urteilsbegründung.
Denkbar sei dagegen eine Kennzeichenerfassung zur Ermittlung von gestohlenen Autos. Dabei müssten allerdings alle Daten von unverdächtigen Fahrzeugen sofort wieder gelöscht werden. Sollten die Daten jedoch zur Observation bestimmter Autofahrer dienen, müsse dies im Gesetz benannt und auf bestimmte Straftaten beschränkt werden, so die Richter. Dafür eine grundrechtsgemäße Regelung zu finden, sei Aufgabe des Gesetzgebers, sagte Papier.
Deshalb sahen sich die Landesinnenminister von Brandenburg, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern sowie Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen in ihren bestehenden Gesetzen bestätigt. In diesen Bundesländern ist die Kennzeichenerfassung nur unter bestimmten Umständen möglich. "Karlsruhe hat erneut deutlich gemacht, dass der gesetzliche Auftrag an die Polizei hier kein Zurückbleiben zulässt und dabei Verantwortung und Kompetenz der Länder gefragt sind ", sagte Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). Das Urteil schaffe für nunmehr alle Polizeibehörden in dieser Frage Rechtsklarheit, sagte der Minister.
"Das Urteil zwingt den Gesetzgeber zurecht, besser mit seinen Normen umzugehen", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz. Auch die Opposition im Deutschen Bundestag begrüßte das Urteil. FDP und Linke werteten es als einen Sieg für den Rechtsstaat. "Langsam wird es peinlich für die Innenminister von Bund und Ländern", sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Silke Stokar. Datenschützer begrüßen das Urteil.
Laut Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) habe die Entscheidung des Gerichts keine Auswirkungen auf Bundesgesetze. Allerdings gebe es bei dieser Frage keine abgestimmte Haltung der Bundesregierung. "Die Länder müssen jetzt ihre Gesetze überarbeiten oder ihre Normen streichen", sagte sie.
Aus der FTD vom 12.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland
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