Als Toyota 1997 das erste Hybrid-Serienfahrzeug präsentierte, wurden die Japaner noch milde belächelt. Heute lächelt niemand mehr. Steigende Absatzzahlen und der Technologievorsprung beim Elektroantrieb verweisen die Mitbewerber, vor allem die deutschen Karossenbauer, auf die Plätze.
Daimler bläst nun mit der Oberklasselimousine S 400 Blue-Hybrid zur Aufholjagd. Gleich zwei Liter Sprit auf 100 Kilometer weniger soll das ab 2009 lieferbare Luxusauto verbrauchen. Möglich wird dies mit neuen wiederaufladbaren Lithiumionen-Akkus. Gefertigt werden sie vom Zulieferer Continental zusammen mit dem US-Unternehmen Johnson Controls und dem französischen Batterieproduzenten Saft.
Mehr Leistung, mehr Sicherheit, mehr Langlebigkeit: Die Erwartungen an die Lithiumionen-Akkus sind groß. Wurden die Zellen bisher nur in kleineren Geräten wie Handys oder Laptops eingesetzt, wird die Großversion des Lithiumionen-Akkus in Hybrid- und Elektroautos für CO2-freien Antrieb sorgen. "Es gibt einen Hype um die Lithium-Akkus, und der kommt aus der Automobilindustrie", sagt Batterieexperte Andreas Jossen vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Ulm. Große Fortschritte in der Lithium-Technologie schüren die Hoffnungen: Stetig finden Batterieforscher neue Wege, um dem Energiespeicher mehr Strom zu entlocken. So konnte man seit der Markteinführung der ersten Lithium-Zellen im Jahr 1991 die Energiedichte bereits mehr als verdoppeln.
Zwar fließen in den elektrischen Kraftpaketen die Elektronen im Prinzip genauso wie in der ersten Batterie, die Alessandro Volta um das Jahr 1800 erfand. Im Vergleich zu herkömmlichen Akkusystemen auf Blei- oder Nickelbasis sind die Lithium-Batterien aber kleiner, leichter, liefern ausreichend Strom und entladen sich kaum, wenn sie längere Zeit nicht genutzt werden. Zudem vertragen sie rund 1000 Ladezyklen, bevor ihre Speicherkapazität deutlich leidet.
Die asiatischen Marktführer wie Sanyo und Panasonic setzen derzeit den gleichen Materialmix ein wie die europäischen Produzenten Saft oder Varta Microbattery aus Ellwangen: Lithiumkobaltoxid für die negative Elektrode (Kathode), Grafit für das positive Gegenstück (Anode). Dazu kommen Elektrolyte, leitfähige Materialien, die den Fluss der Lithiumionen durch den Stromspeicher ermöglichen.
Die nächste Werkstoffgeneration ist aber schon in Arbeit. Um die Zellen bei gleichem Volumen leistungsfähiger zu machen, versuchen Forscher, das Elektrodenmaterial feiner zu strukturieren. "Wir arbeiten an Nanomaterialien, um die Lithiumionen-Zellen zu optimieren", sagt Konrad Holl, Leiter der Lithiumionen-Entwicklung bei Varta Microbattery. An der Anode soll das Grafit ersetzt werden, Kandidaten sind vor allem Kompositwerkstoffe aus Silizium und Kohlenstoff. Und Wissenschaftler der Stanford University experimentieren mit Nanodrähten aus purem Silizium. "Silizium ist ein attraktives Anodenmaterial für Lithium-Batterien, weil es theoretisch die höchste bekannte Ladungskapazität aufweist", sagt Stanford-Forscher Yi Cui. Im Labor konnte Cui die Ladekapazität bereits vervielfachen. Der Haken: Das Material dehnt sich beim Ladeprozess stark aus und hält kaum länger als zehn Zyklen - viel zu wenig für eine technische Anwendung.
Stabiler sind die Lithium-Batterien vom Hersteller Altair Nanotechnologies. Das Unternehmen greift zu nanostrukturiertem Lithium-Titanat. Sogar nach 15.000 Ladezyklen sollen die Batterien, die seit September 2006 auf dem Markt sind, noch 85 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität aufweisen. Der Nachteil: Die Energiedichte beträgt nur 70 Wattstunden pro Kilogramm, die besten etablierten Lithiumionen-Zellen sind mehr als dreimal so speicherstark.
Ein kleines Stück weiter ist man beim US-Unternehmen A123, einer Ausgründung des Massachusetts Institute of Technology (MIT). Dort verwendet man Lithiumeisenphosphat als Kathodenmaterial. Die marktreifen A123-Batterien kommen immerhin schon auf 100 Wattstunden pro Kilogramm und überstehen ebenfalls viele Tausend Ladezyklen. Die mäßige Energiedichte der neuen Materialien nehmen die Hersteller zugunsten der Sicherheit in Kauf. Denn das Lithiumkobaltoxid kann dazu führen, dass ein Akku beim Überladen in Brand gerät. Allein Sony musste wegen der Entzündungsgefahr 2006 acht Millionen Akkus austauschen.
Um bei der Schlüsseltechnologie nicht den Anschluss zu verpassen, steckt das Bundesforschungsministerium in den kommenden vier Jahren 60 Mio. Euro in die Innovationsallianz "Lithium Ionen Batterie 2015". Und gleich 360 Mio. Euro investiert ein Industriekonsortium bestehend aus BASF, Bosch, Evonik, Li-Tec und VW. Im sächsischen Kamenz läuft seit Kurzem bereits die Serienproduktion von Lithium-Akkus. Eine keramische Folie zwischen Anode und Kathode soll sie besonders sicher machen. Ab Mai dieses Jahres will man etwa 80.000 Zellen pro Jahr vor allem an Automobilbauer absetzen. "Insofern sind wir sehr sicher, dass es uns gelingen wird, im internationalen Wettbewerb einen der vorderen Plätze zu erreichen", sagt Li-Tec Geschäftsführer Andreas Gutsch.
Aus der FTD vom 17.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: FTD.de
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