An den Märkten herrscht Panik

von Tobias Bayer und Doris Grass (Frankfurt)

Der Notverkauf des Investmenthauses Bear Stearns und die Angst vor einer Bankenkrise belasten den Dollar. Der Euro kletterte auf 1,59 $, Öl und Gold kletterten auf Rekordstände, wurden dann aber auch von der Verkaufswelle erfasst.

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Der Greenback fiel zum ersten Mal seit zwölf Jahren unter 96 Yen, der Euro stieg auf den Rekordstand von 1,5904 $. Auch Staatsanleihen, Öl und Gold legten zu, weil Investoren nach sicheren Häfen suchten. Im späteren Handelsverlauf kippte jedoch die Stimmung - und Rohstoffe und Edelmetalle verloren kräftig.

Selten war die Situation auf dem Kapitalmarkt angespannter als jetzt. Der gerade abgewendete Kollaps von Bear Stearns, die Zerschlagung des Hedge-Fonds Carlyle Capital und die überraschende Senkung des Diskontsatzes der US-Notenbank Fed lassen die Investoren unruhig in die Zukunft blicken. Waren viele Strategen davon überzeugt, dass die Kreditkrise bis Mitte oder Ende 2008 ausgestanden sein könnte, revidieren inzwischen viele Experten ihre Prognosen. Mit einer Entspannung rechnen einige inzwischen erst ab 2009. Diese trübe Aussicht führt zu einer Dollarflucht - und zu einer außerordentlichen Hausse bei Rohstoffen und Edelmetallen.

Die Rendite von zehnjährigen US-Staatsanleihen sank um zwölf Basispunkte auf 3,35 Prozent. Bei Treasuries mit zweijähriger Laufzeit fiel die Rendite sogar um 19 Basispunkte auf 1,292 Prozent. Das ist der tiefste Stand seit 2003. Gleichzeitig stiegen die Kosten, um sich gegen Ausfälle bei Unternehmensanleihen zu versichern. Der Kreditderivateindex Itraxx Europe, der das Ausfallrisiko von 125 europäischen Firmen abbildet, stieg um 9 auf 164 Basispunkte. "Die Angst, dass es auch andere Banken als Bear Stearns treffen könnte, gibt es auf jeden Fall. Das ist ein richtig beunruhigende Situation", sagte Puneet Sharma, Kreditstratege bei Barclays Capital.

Märkte in einem Teufelskreis

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"Der Dollar hat ein Glaubwürdigkeitsproblem", sagte Koji Fukaya, Währungsstratege bei der Deutschen Bank. "Die Märkte befinden sich in einem Teufelskreis." Hintergrund ist, dass ein schwacher Dollar zu höheren Rohstoffpreisen führt, höhere Rohstoffpreise aber wiederum den Dollar belasten. Denn Ölexportländer wie Saudi-Arabien importieren einen Großteil der Produkte aus dem Euro-Raum - ein höherer Ölpreis schwächt also den Dollar. Gleichzeitig achten die Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) auf unterschiedliche Inflationsmaße. Während die Fed die Energiepreise herausrechnet und auf die Kernrate der Inflation achtet, konzentriert sich die EZB auf die Gesamtinflation. Ein höherer Ölpreis verhindert also eher eine geldpolitische Lockerung durch die EZB als durch die Fed. Auch das ist positiv für den Euro und negativ für den Dollar.

Gegenüber asiatischen Währungen konnte der Dollar allerdings zulegen. Die indonesische Rupie, der thailändische Baht, der Singapur-Dollar, der malaysische Ringgit und der südkoreanische Won verloren deutlich. "Das passt ins Bild der momentan nicht ordentlich verlaufenen Anpassung von Ungleichgewichten. Während der Dollar gegenüber einigen wenigen Währungen abwertet, kann er gegenüber vielen anderen deutlich zulegen. Das spiegelt Ängste wider, dass viele Volkswirtschaften sich dem Abschwächen der US-Konjunktur nicht entziehen können", sagte David Woo, Währungsstratege bei Barclays Capital.

Gerüchte über Währungsintervention

Marktteilnehmer spekulieren auf ein koordiniertes Eingreifen der Notenbanken der USA, Europas und Japans, um den Dollarverfall zu stoppen. Zuletzt hatten die Notenbanken gemeinsam im September 2000 an den Devisenmärkten interveniert, als der Euro ein Rekordtief von 85 US-Cent erreicht hatte.

Der japanische Ministerpräsident Yasuo Fukuda hält die gegenwärtigen Turbulenzen an den Währungsmärkten eher für einen Ausdruck der Dollar-Schwäche als für ein Zeichen eines starken Yen. Fukuda bezeichnete schnelle Wechselkursbewegungen am Montag zugleich als unerwünscht. Zu einer möglichen Beteiligung der Bank von Japan an einer gemeinsamen Intervention von Notenbanken an den Devisenmärkten wollte sich Fukuda nicht äußern.

Öl und Gold errreichen Rekord - und stürzen ab

Der Preis für Rohöl stieg am Montag weiter und erreichte mit 111,80 $ einen neuen Rekordwert. Auch Gold kletterte im frühen Handel auf das Rekordhoch von 1032 $. Dann jedoch kam es zu einem regelrechten Ausverkauf. Experten nannten mehrere Gründe: Gewinnmitnahmen, zunehmende Refinanzierungsprobleme im Finanzsektor und die Rezessionsängste. Möglicherweise habe es auch Zwangsverkäufe gegeben. „Wir sehen eine Flucht in Liquidität. Es gibt nur einen sicheren Hafen, und das ist Cash“, sagte Eugen Weinberg, Rohstoffanalyst der Commerzbank.

Der Rohölpreis brach in der Spitze um 7 $ ein, Gold fiel kurz unter 1000 $. Auch Basismetalle wir Kupfer, Nickel und Blei verloren kräftig. Auch die Preise für Agrarrohstoffe wie Zucker, Mais und Weizen sackten stark ab.

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FTD.de, 17.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland

 

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