Leitartikel

SOS an Staatskasse!

Chuzpe ist es, wenn einer seine Eltern umbringt und dann mildernde Umstände als Waisenkind einfordert. Oder auch, wenn einer immer möglichst staatsfreie Finanzmärkte predigt, aber nach öffentlichen Geldern ruft, wenn er sich schwer verspekuliert hat.

Mancher Hilferuf, der jetzt aus der Finanzwelt kommt, verdient daher wenig Mitleid und Beachtung. Auch Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, dessen eigenes Institut bisher glimpflich durch die Krise kam, der aber indirekt mehr Staatshilfe für die Kollegen in den USA fordert, darf sich über Häme der Öffentlichkeit nicht wundern.

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Richtig ist allerdings auch, dass der Staat in einer Marktwirtschaft in Extremfällen eben doch helfen muss. Wenn eine Pleite über Ansteckungseffekte das ganze Finanzsystem in Gefahr bringen kann, dann muss die Zentralbank als "Lender of Last Resort" und eventuell auch die Regierung als Sanierungshelfer einspringen. Grundprinzip solcher Rettungsaktionen muss es sein, dass alle Lasten zunächst so weit es irgend geht vom privaten Sektor getragen werden und der Staat nur die Restrisiken übernimmt, die Private tatsächlich überfordern.

Das ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern vor allem eine der Anreize: Schützt der Staat Investoren vor den negativen Folgen ihres Verhaltens, dann lädt das geradezu ein, auch künftig hemmungslos auf Risiko zu spielen.

Bei der Debatte über die Rolle des Staats in der US-Finanzkrise sollte nicht übersehen werden, dass die Investoren hier schon erheblich Federn lassen. Seit Januar 2007 sind bereits Abschreibungen von mehr als 180 Mrd. $ aufgelaufen. Die jüngste Rettung von Bear Stearns kostete die Aktionäre der Bank fast ihr gesamtes Kapital, mehr als 5 Mrd. $. Knapp 40 Prozent der Aktien gehören Mitarbeitern von Bear Stearns, auf die nun zudem eine Halbierung der Stellenzahl zukommt. Auch wenn die Fed hier zusätzlich Risiken von 30 Mrd. $ übernimmt - die privaten Akteure haften zweifellos für ihre Fehler.

Die US-Regierung sagt offiziell noch immer, dass sie keinerlei Bail-outs finanzieren, sprich die Banken wie auch die überschuldeten Kreditnehmer nicht aus der Verantwortung entlassen will. Das ist nicht mehr sehr glaubwürdig. Wenn sie es geschickt anstellt, kann sie aber die privaten Investoren noch immer zwingen, einen möglichst hohen Teil der anfallenden Verluste selbst zu tragen.

Wie man es nicht machen sollte, hat die deutsche Bundesregierung bereits gezeigt. Sie ist im Fall der angeschlagenen IKB als ein indirekter Eigentümer zwar in besonderer Lage. Faktisch hat sie aber für das relativ kleine Institut eine Bestandsgarantie abgegeben, die den Sanierungsbeitrag der privaten Eigentümer begrenzt. Wer so handelt, kann die US-Politik kaum kritisieren.

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Aus der FTD vom 19.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland

 

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