Marcelinho, der General von Nordsteimke

von Michael Jahn

Marcelinho, der einstige Berliner Nachtschwärmer, ist auf dem Dorf wieder in Form gekommen. Jetzt will der Brasilianer sich einen Traum erfüllen und Wolfsburg ins Pokalfinale führen.

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Marcelinho taucht oft auf einem der Rasenplätze des SV Nordsteimke auf. Dann wirbelt er mit dem Ball, zeigt kleine Tricks und jubelt über schöne Tore. Es handelt sich um Marcelinho junior, den sechsjährigen Sohn des großen Marcelinho, Kapitän des VfL Wolfsburg. Der Junior tollt mit den gleichaltrigen Jungen aus Nordsteimke nahe Wolfsburg herum, dort wo der Brasilianer mit seiner Familie zu den etwa 2700 Einwohnern zählt.

"Bei einem Spiel unseres Kreisligisten war Marcelinho leider noch nicht", sagt Karsten Müller, der Spartenleiter Fußball in Nordsteimke, "aber er hat ja auch wenig Zeit." Müller, im Beruf Elektromeister, bekam trotzdem schnell Kontakt zum berühmten Profi. "Meine Firma hat die gesamte Elektrik im Haus von Marcelinho installiert. Wir haben auch die großen Satellitenschüsseln montiert, damit er seine vielen brasilianischen Sender sehen kann." Karsten Müller sagt: "Marcelinho ist ein sehr angenehmer Zeitgenosse und Mitbürger."

Nähe zu Berlin war Verantwortlichen unheimlich

Seitdem Marcelinho die Spielführerbinde trägt kniet er sich für die ganze Mannschaft rein
 Seitdem Marcelinho die Spielführerbinde trägt kniet er sich für die ganze Mannschaft rein

Als der 32-Jährige im Januar 2007 sein Intermezzo beim türkischen Erstligisten Trabzonspor beendete und zum VfL Wolfsburg wechselte, der eine Ablöse von 2,75 Mio. Euro zahlte, wohnte der umtriebige Profi sechs Wochen lang im Hotel. In seinem Vertrag war festgelegt, dass er sich eine Wohnung im Umkreis von 35 Kilometern von Wolfsburg suchen müsse. Offenbar war den Verantwortlichen beim Werksklub die Nähe zu Berlin nicht ganz geheuer. Dort schoss Marcelinho in 155 Spielen für Hertha BSC 65 Tore und genoss auch das Nachtleben ausgiebig. In Nordsteimke, wo es nur zwei Gaststätten gibt, hat Marcelinho seine innere Ruhe gefunden, er lebt und wohnt nur 6,3 Kilometer von der VW-Arena, seinem Arbeitsplatz, entfernt, und er sagt, dass er sich sehr wohl fühlt in der ländlichen Umgebung.

VfL-Cheftrainer Felix Magath hat die positiven Veränderungen bei seinem Profi schnell erkannt, als er im Sommer vorigen Jahres die Geschäfte übernahm. Einen klitzekleinen Teil der Verantwortung gab er an Marcelinho ab, er machte ihn überraschend zum Kapitän. "Dieses Vertrauen vom Trainer hat mir sehr gutgetan", sagt Marcelinho. Mit der Spielführerbinde am Arm ist aus dem immer noch extravaganten Individualisten ein kollektiv denkender Spieler geworden. Am Aufschwung der Wolfsburger, der besten Rückrundenmannschaft der Liga, besitzt der Brasilianer großen Anteil - auch wenn ihm nicht mehr so viele Tore gelingen wie noch zu seiner Hoch-Zeit in Berlin.

Heute tritt der VfL im Pokalhalbfinale beim FC Bayern an (20.30 Uhr, ARD), und Marcelinho kann seinem großen Ziel, endlich einen Titel zu erringen, ein Riesenstück näher kommen. Bei Hertha träumte er vergeblich vom Meistertitel und auch das ersehnte Pokalfinale in seinem früheren Wohnzimmer, dem Berliner Olympiastadion, blieb in weiter Ferne.

Dabei hat sich der torgefährliche Mittelfeldmann erst vor Kurzem von einem Fluch befreit. In der Bundesliga war er 1013 Minuten ohne Torerfolg geblieben, meist besorgte die Treffer sein Landsmann Grafite, der von Le Mans gekommen war. Erst beim 3:0 gegen Cottbus gelangen ihm zwei schöne Tore und kurz zuvor im Pokal, beim 2:1 im Viertelfinale gegen den HSV, erzielte Marcelinho den Siegtreffer. "Ich habe wieder mehr Selbstvertrauen", sagt der Mann, der auch in Wolfsburg immer wieder die Farbe seiner Haarpracht wechselt, "zehn Tore will ich schon schießen in dieser Saison."

Trainer Magath sagt: "Marcelinho ist auf dem Weg dahin, wichtige Szenen für uns zu entscheiden." Magath hatte seinem Kapitän empfohlen, auf dem Platz effizienter zu werden und sein enormes Laufpensum sogar zu reduzieren. "Mir ist es lieber, er läuft nicht mehr so viel und ist näher am Tor." Beim jüngsten 1:0-Sieg des VfL bei Werder Bremen hielt sich Marcelinho an die ungewöhnliche Order. Beim entscheidenden Tor aber lief er einem Bremer Abwehrspieler davon und im Doppelpass mit Grafite gelang dem der wichtige Treffer.

Marcelinho sagt: "Ich träume jeden Tag vom Pokalfinale in Berlin. Wenn wir da hinfahren, komme ich mit einem Titel zurück." Das einstige Enfant terrible ist gelassener geworden. Und er ist dem Verein dankbar, dass er nach den schlechten Erfahrungen bei Trabzonspor schnell in die Liga zurückkehren konnte. Im Januar im Trainingslager hat Marcelinho gesagt, dass er seine Karriere irgendwann in Wolfsburg beenden wolle. In Nordsteimke gehört er schon jetzt zur Historie. Die Enzyklopädie Wikipedia nennt unter der Rubrik "Persönlichkeiten des Ortes" nur Marcelinho - neben Benno von Hennings (1836-1899), einem königlich-preußischen Generalleutnant.

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Aus der FTD vom 19.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: dpa

 

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