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Kopf des Tages

Khaled al-Masri: Opfer der Schlapphüte

von Thomas Steinmann

Noch vor zwei Jahren interessierte sich niemand für die Geschichte von Khaled al-Masri. Dafür klang sein Erlebnisbericht einfach zu unglaubwürdig: Festnahme als Terrorverdächtiger in Mazedonien, Verschleppung durch die Amerikaner, Misshandlung in einem geheimen US-Gefängnis in Kabul. Die Sicherheitsbehörden hielten den Deutschlibanesen für einen Märchenerzähler.

Khaled al-Masri
 Khaled al-Masri

Heute stellt kaum jemand mehr in Frage, dass der 42-Jährige aus dem bayerischen Neu-Ulm vom amerikanischen Geheimdienst CIA nach Kabul verschleppt wurde. Es gebe keine Anhaltspunkte, an al-Masris Darstellung zu zweifeln, sagt der in diesem Fall ermittelnde Staatsanwalt. Und die Bundesregierung muss sich zunehmend fragen lassen, wann sie von der Entführung eines deutschen Staatsbürgers erfuhr und ob deutsche Behörden aktiv dazu beitrugen.

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Fast zweieinhalb Jahre nach seiner Odyssee hatte al-Masri am Donnerstag die Gelegenheit, die Geschichte seiner Entführung vor dem BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages zu erzählen. Inzwischen hört niemand mehr weg, wenn der Mann mit den zum Zopf gebundenen Haaren berichtet, wie er am Silvestertag 2003 in Mazedonien festgenommen wurde. Wie ihn die CIA 23 Tage später in das US-Geheimgefängnis "Salzgrube" in Kabul brachte. Wie ihn in der Haft ein deutschsprachiger Ermittler verhörte, den er zwischenzeitlich für einen Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes hielt.

Bestätigt werden al-Masris Aussagen auch von einem Sonderermittler des Europarates. Dieser warf den USA vor, Terrorverdächtige ohne Gerichtsbeschluss verhaftet und quer durch Europa transportiert zu haben. Zu den Verschleppten gehörten auch deutsche Staatsbürger - unter ihnen al-Masri.

Verhängnisvolle Verwechslung

Zum Verhängnis wurde dem gebürtigen Libanesen, der seit 1994 den deutschen Pass besitzt, offenbar eine Verwechslung. Der Name al-Masri hatte auf einer amerikanischen Fahndungsliste gestanden, die CIA hielt ihn deshalb für einen Terroristen. Dass er regelmäßig das Multikulturhaus in Neu-Ulm, ein Zentrum der islamistischen Szene, besuchte, trug nicht zur Glaubwürdigkeit von al-Masri bei, als er sich nach seiner Freilassung Ende Mai 2004 an die Polizei wandte.

Er habe sich geschworen, die Verantwortlichen für seine Verschleppung zu finden, sagt al-Masri. Die Opposition im Bundestag hat er dabei auf seiner Seite. Sie hofft, dass der Ausschuss einen Beitrag zur Aufarbeitung der Affäre leisten kann.

Einen juristischen Teilerfolg errangen al-Masri und sein Anwalt Manfred Gnjidic bereits in den USA. Zwar scheiterten sie mit einer Klage gegen die CIA, ihr Antrag wurde aber nicht abgewiesen. Die US-Regierung hatte eine Entscheidung in der Sache blockiert - unter Berufung auf die nationale Sicherheit, ein Geheimhaltungsprivileg aus Zeiten des Kalten Kriegs.

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Aus der FTD vom 23.06.2006
© 2006 Financial Times Deutschland, © Illustration: AFP

 

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