Die kleine Linoy gehört zu den schüchternen Kindern im Kibbuz Sde Boker. Während Angela Merkel an Dutzende lärmende Kinder Fußbälle verteilt, wird das blonde Mädchen immer wieder abgedrängt. Dann hat sie es doch geschafft und überreicht der Kanzlerin einen Olivenzweig, ein traditionelles Friedenssymbol. Eine kleine Geste, von keinem arrangiert, während eines Besuchs, der von großen Gesten dominiert wird.
Da ist Ministerpräsident Ehud Olmert, der die Kanzlern schon am Flughafen empfängt, sie bis spät in den Abend bewirtet und angesichts der ersten gemeinsamen Sitzung beider Regierungen von "historischen Verhandlungen" spricht. Da ist Präsident Schimon Peres, der Merkel beim Besuch des Wohnhauses von Staatsgründer David Ben Gurion in Sde Boker als eine der seltenen Politikerinnen lobt, die sich ihrem Wort verpflichtet fühlen, und sie in eine Reihe mit Konrad Adenauer stellt, der mit Ben Gurion die ersten offiziellen Beziehungen zwischen Nach-Nazi-Deutschland und Israel knüpfte. Da ist die Kanzlerin, die auch angesichts des gemeinsamen Besuchs in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem sagt, die Beziehungen zu Israel "werden immer besonders bleiben".
Eigentlich sollte der Besuch anlässlich des 60. Jahrestags der Gründung des Staates Israel vor allem mit Zukunft zu tun haben. Aber fast in jedem Augenblick schieben sich die Schoa, die Verfolgung und Vernichtung der Juden durch Deutsche, und die aktuellen Konflikte in der Region dazwischen. Auch den Deutschen ist nicht entgangen, dass der im letzten Herbst angestoßene Friedensprozess schon wieder ins Stocken geraten ist. Hamas-Kämpfer schießen ihre Kassam-Raketen aus dem Gazastreifen auf israelische Städte, die Regierung genehmigt neue jüdische Wohnprojekte auf palästinensischem Gebiet nahe Jerusalem im Wissen, dass sie damit die Friedensgespräche gefährdet. Die Rückschläge werden zwischen Merkel und Olmert sowie den Außenministern Frank-Walter Steinmeier und Zipi Livni offen diskutiert, aber Israel weiß auch, dass Deutschland es im Zweifel stützt.
Dieser Zweifelsfall könnte Iran heißen. Vom "gemeinsamen Feind" redet Präsident Peres, Merkel verspricht, mit den anderen EU-Staaten über schärfere Sanktionen jenseits der Uno-Resolution zu reden. Die Geheimdienste beider Länder sind sich einig, dass es weit weniger als die von den USA zuletzt genannten zehn Jahre dauern könnte, bis der Iran eine einsatzfähige Atomwaffe hat. Was immer Israel dann unternehmen wird, die Erwartungen an die deutsche Solidarität werden hoch sein. "Die Beziehungen sind anders, als sie in der Vergangenheit waren", ist sich Olmert sicher. Dafür verspricht er wieder einmal, am Friedensprozess trotz palästinensischer Anschläge und israelischer Militäraktionen festzuhalten. Man wolle einen Vertrag bis Ende des Jahres. Deutschland hilft dabei: "Wir können uns nicht drücken", sagt Merkel. Ihre Regierung plant eine internationale Konferenz zum Aufbau von Polizei und Sicherheitsstrukturen in den Palästinensergebieten. Olmert möchte, dass deutsche Firmen beim Aufbau von Industrie im Palästinensergebiet helfen.
Merkel bekennt sich zur Verantwortung Deutschlands und der EU, die in den letzten zehn Jahren zugenommen habe. "Es ist nicht einfach, nach so vielen Jahrzehnten ein Stück optimistischer zu sein." Ihre Nahostexperten sind besorgt, dass sich die Konflikte zwischen Mittelmeer und Pakistan immer stärker beeinflussen und die Voraussetzungen für einen lebensfähigen Palästinenserstaat weiter verschlechtern. Die kleine Linoy wird noch viele Olivenzweige verteilen müssen.
Aus der FTD vom 18.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: AP
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