Thomas Betz will endlich raus. Seit zweieinhalb Jahren sitzt er in Untersuchungshaft. Seit anderthalb Jahren wird ihm der Prozess gemacht. Mehr als 100-mal ist der Chef der Spedition Willi Betz, der größten in Europa, im Neonlicht des Stuttgarter Landgerichts aufgetreten, immer tadellos in Anzug und Krawatte. Und immer war seine Frau Karen da, die er in den Verhandlungspausen über die Absperrung zum Zuschauerraum hinweg küsste. Ansonsten versank der Mann mit dem Schnauzbart meist schweigend im Angeklagtensessel und ließ die Anwälte machen. Zum Beispiel den Deal, durch den Betz am Montag wohl freikommt.
Schuld daran, dass Thomas Betz im legendären Gefängnis Stammheim landete, ist die Sache mit Bulgarien. Bulgarien wurde zum Fluch für ihn: Die Anklage wirft Betz vor, um die Jahrtausendwende Hunderte billige Lkw-Fahrer seiner bulgarischen Tochterfirma in der Europäischen Union eingesetzt zu haben, auf Lastern, die zum Teil in Georgien und Aserbaidschan angemeldet waren - und diese illegalerweise aus der Reutlinger Konzernzentrale gesteuert zu haben. Damit soll er die deutsche Sozialversicherung um Millionen betrogen haben.
Für den Rechtsdeal musste Betz diesen Vorwurf nun zähneknirschend einräumen. "Ich übernehme die volle Verantwortung für das, was geschehen ist", sagte er. Überhaupt habe das "System Betz" rechtliche Brüche gehabt. So seien "Schmiergelder unerlässlich" gewesen, um in Osteuropa Geschäfte zu machen. Auch den Vizepräsidenten des Bundesamts für Güterverkehr habe er bestochen. Mit einem C-Klasse-Mercedes.
Für dieses Geständnis, für die zurückliegende U-Haft, gegen eine Strafe von 2,1 Mio. Euro und die Nachzahlung von rund 35 Mio. Euro an den Staat darf Betz Stammheim auf Bewährung verlassen. Und das Erstaunliche an der Geschichte: Der Konzern hat diese Krise nicht nur überlebt. Er steht so gut da wie nie. Die Spedition hat trotz explodierender Spritpreise, die der Branche zu schaffen machen, ihren Umsatz in den vergangenen zwei Jahren jeweils zweistellig gesteigert. Irgendwie hat Betz es geschafft - dank der Solidarität der Mitarbeiter und Meetings im Knast.
Es ist der 22. September 2005, als Betz nach Ankunft aus Sofia am Münchner Flughafen verhaftet wird. Schnell läuft das Krisenmanagement an: Der heute 80-jährige Willi Betz, Gründer des Unternehmens und Vater von Thomas, kommt zurück, um sein Lebenswerk zu retten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kauft der Bauernsohn, gerade 17 Jahre alt, in Undingen, einem Dorf auf der Schwäbischen Alb, einen mit Holzvergaser betriebenen Lastwagen. Die ersten Aufträge - Lebensmittel, Brennholz, Kohlen - fährt er ohne Führerschein. Und von Anfang an geht es aufwärts. In den 50er-Jahren besitzt er bereits fünf Laster, zu Beginn der 60er zehn, in den 70ern ist er der größte deutsche Fuhrunternehmer, und heute ist die Spedition Betz längst die Nummer eins in Europa, mit 8000 Mitarbeitern und 6500 Lkw und Sattelzügen. Im Jahr 2007 setzte Betz rund 900 Mio. Euro um, 2008 soll die Milliarde geschafft werden.
Aus der FTD vom 17.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: AP
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