Aachen Valley

von Svenja Üing (Aachen)

Auf dem Gelände der RWTH Aachen entsteht der größte Campus Europas. Für 750 Mio. Euro werden Labore und Neubauten errichtet - mit dem Kapital großer Konzerne.

Noch pfeift der Wind durch die sieben fensterlosen Stockwerke des Rohbaus. Doch schon in wenigen Monaten sollen die Studierenden der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen im Gebäude Super C ihren Latte macchiato trinken und sich nebenbei über Prüfungen, Jobs und Auslandsaufenthalte informieren. Der moderne Prestigebau neben dem Hauptgebäude am Templergraben wird nach dem Vorbild US-amerikanischer Student Centers Studierendensekretariat, International Office, Prüfungsamt und Career Center unter einem Dach vereinen.

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Am Wissenschaftsstandort Aachen herrscht Aufbruchstimmung, nicht erst seit dem Spatenstich für das Super C im Mai 2006 und nicht zuletzt, seitdem die RWTH im vergangenen Herbst im Exzellenzwettbewerb den begehrten Status einer Eliteuni errungen hat.

Wer durch die 250.000-Einwohner-Stadt geht, merkt davon zunächst wenig. Die rund 500 Gebäude der Hochschule, des größten Arbeitgebers in Aachen, liegen verstreut über die Stadt. Die renommierte Technikerschmiede, an der beispielsweise der Dieselrußfilter erfunden wurde, werde bisher "als Ganzes kaum wahrgenommen", sagt ein Sprecher der Uni.

10.000 Arbeitsplätze auf 200.000 Quadratmetern

Das RWTH Aachen plant den Bau des größten Campus Europas
 Das RWTH Aachen plant den Bau des größten Campus Europas

Das soll sich ändern. Reisende, die seit dieser Woche am Hauptbahnhof ankommen, werden mit einem Leuchtbanner, das größer ist als ein Bus, in der "Stadt der Wissenschaft" begrüßt. Eine "Route der Wissenschaft" soll künftig vom Dom geradewegs zum Super C führen, vorbei an "Fenstern der Wissenschaft", die den Blick freigeben auf Hochschulwerkstätten und Labore. Die Aachener sind stolz auf ihre Uni - und sie wollen es jetzt auch zeigen.

Im Mittelpunkt der Reformen steht eine 200.000 Quadratmeter große Baustelle am Westrand der Stadt. Auf dem Gelände eines ehemaligen Güterbahnhofs und entlang der Bahnstrecke entsteht dort der größte Campus Europas. "Wir wollen unsere Kompetenzen bündeln und kurze Wege schaffen", sagt Günther Schuh, der das Projekt koordiniert.

Noch weiden auf dem Gelände Kühe, doch die Baupläne zeigen ein ambitioniertes Projekt mit breitem Boulevard für Jogger und Autos, mit Restaurants, einer Kita, Kongresszentren und Geschäften. 10.000 Arbeitsplätze sollen entstehen. Das geplante Investitionsvolumen in Gebäude und Infrastruktur beträgt 750 Mio. Euro.

150 Mio. Euro durch Industriekooperationen

Das Areal wird vom Land NRW gestellt, das die Grundstücke verpachtet, auf denen private Investoren bauen. Mit rund 50 Firmen ist man bereits im Gespräch, sagt Schuh. "Mit öffentlichen Mitteln wäre das gar nicht möglich." Wissenschaftler und Studierende werden auf dem neuen Campus gemeinsam mit Unternehmern forschen und Produkte entwickeln. In den Bereichen Technologie, Lebenswissenschaften und Medizin sollen 15 Forschungsverbünde entstehen, in die auch Industriepartner integriert werden.

Die Angestellten der Kooperationsunternehmen des künftigen Megacampus sollen sogar als Dozenten an der Hochschule lehren. Widerstände weckt das nicht, auch der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) unterstützt die Reformen. Die enge Kooperation mit Unternehmen hat in Aachen Tradition. Allein das Werkzeugmaschinenlabor, in dem Schuh arbeitet, pflegt Kontakte zu 500 Firmen.

Dieses unverkrampfte Verhältnis zur Wirtschaft zahlt sich für die Uni aus: 150 Mio. Euro ihres 540-Mio.-Euro-Haushalts fährt die Hochschule durch Industriekooperationen und Spenden ein - und steht damit bundesweit an der Spitze. Für das Super C konnte Rektor Burkhard Rauhut mehr als 5,5 Mio. Euro bei Sponsoren lockermachen und damit einen Teil der 23 Mio. Euro Baukosten decken.

Eon sucht fähige Köpfe

Jüngstes Beispiel für eine Public- Private Partnership aus Wissenschaft und Wirtschaft ist das Eon Energy Research Center (ERC), das ab April gebaut wird. "Wir brauchen fähige Köpfe, die über den Tag hinausdenken", sagt Markus Ewert, Eon-Vizepräsident für die Bereiche neue Technologien und Strategien. Dafür investiert der Stromkonzern in den kommenden zehn Jahren 40 Mio. Euro in den Forschungsbetrieb und drei Stiftungsprofessuren. Im Gegenzug finanziert die RWTH für weitere 40 Mio. Euro das neue Gebäude und zwei Lehrstühle. Nicht nur diese Kooperationsbereitschaft habe bei der Entscheidung für Aachen eine Rolle gespielt, sagt Ewert: "Die RWTH ist ein international ausgewiesener Standort für technologische Spitzenforschung."

Nach zehn Jahren soll sich das neue Energieinstitut selbst tragen, durch Forschungsaufträge aus der Industrie. "Die Namensgebung lässt viele vermuten, dass wir zu Eon gehören, aber wir bleiben freie Forscher", betont Rik De Doncker, einer der am ERC beteiligten Professoren. Zwar durfte Eon bei der Auswahl der Forschungsfelder mitreden. Die Patentrechte aber liegen bei der Uni. Und die Ergebnisse des Instituts stehen am Ende allen offen, auch der Konkurrenz.

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FTD.de, 05.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: RWTH Aachen

 

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