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Blick ins Ausland

Akademischer Wanderzirkus

von Markus Gärtner (Vancouver)

Die University of Waterloo bietet Studenten und Firmen das weltweit größte Kooperationsprogramm für Ingenieure. Fast alle Absolventen des Programms finden sofort einen Job bei den Partnerfirmen - besonders kurz ist der Weg dabei zu Blackberry.

Als Bill Gates vor zwei Jahren durch Nordamerika tourte, machte er in Kanada nur einmal Halt: an der University of Waterloo im Süden der Provinz Ontario, etwa eine Autostunde westlich von Toronto. Gut 2000 Studenten drängten sich im Audimax der Uni, als der Chef von Microsoft über das "goldene Zeitalter der Software" redete und nebenbei die angehenden Ingenieure, Mathematiker und Architekten lobte: "Wir rekrutieren von dieser Uni mehr Abgänger als von irgendeiner anderen Uni auf der Welt."

Dafür gibt es einen besonderen Grund: Die University of Waterloo ist nicht nur Kanadas größte und nach Umfragen des "MacLean's Magazine" innovativste und beste Ingenieurschmiede des Landes, sie betreibt auch das weltweit größte Kooperationsprogramm mit Unternehmen, genannt Coop. Ähnlich dem dualen Studium in Deutschland wechseln Studenten alle vier Monate zwischen Hörsaal und Arbeitsplatz in einer der rund 3500 Partnerfirmen hin und her. Über 11.000 Studenten nehmen derzeit an dem Programm teil, jeder Zehnte von ihnen geht zu Microsoft. Um die Verbindung zur Uni zu halten, lässt das Unternehmen für das jährliche Fußballmatch zwischen den Studenten und Managern der Partnerfirmen sogar Spieler aus den USA einfliegen.

Die Vermittlung von Studenten an Unternehmen gleicht einer Partnerwahl per Computer. Mehrmals jährlich treffen sich Arbeitgeber und Studenten an der Uni zu ausgiebigen Interviews. Anschließend beschreiben beide Seiten schriftlich, für wie wichtig sie den jeweiligen Gesprächspartner für ihre Pläne halten. Dann wertet ein Computer alle Ergebnisse aus und betätigt sich als Matchmaker.

Zwei Jahre Berufserfahrung bis zum Bachelor

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Das Coop-Programm ist ein großer akademischer Wanderzirkus. Es wirkt wie eine Umwälzpumpe: Neue Erkenntnisse aus der Forschung werden in die Industrie getragen. Von dort kommen junge Wissenschaftler nach den Praktika zurück in die Labore und berichten, welche Erwartungen die Wirtschaft an die Ausbildung der künftigen Ingenieure hat. Darauf reagiert die Uni mit über 100 verschiedenen interdisziplinären Programmen, in denen Theorie und Praxis verknüpft werden.

Die Forscher Allison Bramwell und David Wolfe vom Zentrum für internationale Studien der Universität Toronto haben die Uni Waterloo unter die Lupe genommen. Ihr Fazit: "Firmenfreundliche Unis dieser Art, die aggressiv mit IT-Firmen Partnerschaften eingehen und das Unternehmertum fördern, sind ein Modell für das 21. Jahrhundert."

Rund 25.000 Euro können Coop-Studenten verdienen, bevor sie als Ingenieure nach sechs Praktika die Uni verlassen. Mehr noch: Allein bis zum Bachelor-Abschluss sammeln sie zwei Jahre Berufserfahrung. Absolventen des Programms müssen sich keine Sorgen um einen Arbeitsplatz machen: Im vergangenen Jahr fanden 97 Prozent von ihnen Jobs in Partnerfirmen.

Praktika münden fast immer in einer Anstellung

Auch Mike Lazaridis, Gründer und Geschäftsführer des Blackberry-Herstellers Research In Motion (RIM), war Coop-Student in Waterloo. Seit drei Jahren ist er auch Kanzler der Hochschule. Die Firmenzentrale von RIM grenzt direkt an das Uni-Gelände. Das Logo hängt jedoch nicht an der Einfahrt zur Firma, sondern an der Seite, wo täglich Tausende Studenten über den Parkplatz schlendern. "Wir sind der größte industrielle Arbeitgeber von Coop-Studenten in Kanada", sagt Lazaridis, "es ist wichtiger, dass unsere künftigen Angestellten uns sehen als jene, die im Auto vorbeifahren." RIM stellt jährlich rund 1000 der betriebserfahrenen Studenten ein.

"Die Praktika in unserer Firma enden fast immer mit einer Anstellung", sagt auch Dave Scott, der bei IBM in Kanada die Kontakte zu den Universitäten pflegt. "Wir stellen nicht nur für einen Sommer ein, die Studenten sollen nach dem Abschluss wiederkommen."

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FTD.de, 20.08.2007
© 2007 Financial Times Deutschland

 

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