Das US-Justizministerium fand heraus, dass Lucent mehr als 10 Mio. $ (6,5 Mio. Euro) ausgegeben hatte, um rund 315 Reisen für 1000 chinesische Regierungsvertreter und Telekommanager zu organisieren. Die meisten von ihnen, verbrachten "wenig oder gar keine Zeit" bei Lucent, sondern vergnügten sich auf Hawaii, in Las Vegas, im Grand Canyon, an den Niagarafällen, in Disneyland oder in den Universal Studios.
Insgesamt zahlte Lucent 2,5 Mio. $ an Bußgeldern und anderen Strafen. Das Unternehmen kooperierte uneingeschränkt mit den Ermittlern aus Washington und teilte mit, man sei froh, einen Strich unter die Ereignisse gezogen zu haben, die noch vor der Fusion mit Alcatel aus Frankreich im Jahr 2006 stattgefunden hatten.
Anwälten und Managern aus den USA zufolge haben noch andere Unternehmen fragwürdige Reisen für chinesische Politiker und Wirtschaftsführer organisiert - trotz der jüngsten Bemühungen der US-Regierung, solche Praktiken mit dem Korruptionsgesetz Foreign Corrupt Practices Act zu unterbinden.
Patrick Norton, Rechtsexperte für China und Partner bei der US-Anwaltskanzlei Steptoe & Johnson in Washington, war bereits an sieben oder acht internen Ermittlungen gegen amerikanische Firmen beteiligt, bei denen es um Reisen zu Schulungen und Werksbesichtigungen ging. "Das ist ein ernstes Problem, und es besteht fast ausschließlich im Zusammenhang mit China", sagt Norton.
Das zeigt, wie weit so manches Unternehmen aus dem Westen geht, um sich Geschäfte mit China zu sichern. Und die altbewährte Schmiergeldpraxis hat schon einige Unternehmen in Schwierigkeiten gebracht. Das US-Stahlunternehmen Schnitzer Steel räumte vergangenen Oktober ein, Manager in China und Südkorea bestochen zu haben. Und auch der Schmiergeldskandal bei Siemens reichte bis nach China.
Offenbar gibt es zwei Arten von Verstößen: Reisen, mit denen Regierungsvertreter günstig gestimmt werden sollen, und Reisen, die Beschäftigte von Kundenunternehmen dazu bringen sollen, mehr Geschäfte mit dem "Sponsor" abzuschließen. Letztere Reisen finden häufig im Rahmen eines Vertrags statt, der Schulungs- und Reisekosten beinhaltet. So bekommt das Unterfangen einen legalen Anstrich. Dabei helfen die einladenden Unternehmen den chinesischen Beschäftigten, ihr Unternehmen zu betrügen, denn der Arbeitgeber des chinesischen Gasts übernimmt die (vermeintlichen) Schulungskosten.
Nach dem Fall Lucent ist das Thema bei vielen US-Firmen zum Tagesordnungspunkt geworden. "Der Fall Lucent hat uns das Problem sehr bewusst gemacht", sagt ein Manager des Mischkonzerns Honeywell. "Dem vorzubeugen ist für fast jedes Unternehmen, das mit Kunden aus China zu tun hat, eine Herausforderung."
Eine der größten Schwierigkeiten, mit denen ausländische Firmen in China zu kämpfen haben, ist die fließende Grenze zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor. Die kommunistische Regierung kontrolliert immer noch einen Großteil der Wirtschaft. Stephen Clayton, beim IT-Unternehmen Sun Microsystems zuständig für die Korruptionsbekämpfung, sagt: "Wenn man mit Unternehmen dort Geschäfte macht, muss man davon ausgehen, dass man auch mit der Regierung Geschäfte macht." Unterdessen sollten amerikanische Manager auch damit rechnen, dass ihre Aktivitäten jetzt von den US-Behörden genauer überwacht werden, so Clayton.
Vergangenes Jahr gründete die US-Bundespolizei FBI ein Team, das sich ausschließlich mit Fällen wie dem bei Lucent befasst. Gestärkt wurde die Überwachung der Behörden durch eine US-Regierung, die Korruption mit Terrorismus in Verbindung bringt und nach den Anschlägen vom 11. September 2001 Besucher aus dem Ausland genauer unter die Lupe nimmt. "Der Hauptgrund für all das ist der Kampf gegen den Terrorismus", sagt Clayton.
Bei Honeywell sind Schulungen für Mitarbeiter chinesischer Kundenfirmen im Allgemeinen auf eine Woche begrenzt und finden im Werk statt. "Wir stellen ihnen einen sehr spezifischen Terminplan zusammen, um sicherzugehen, dass sie nur geschäftsspezifischen Aktivitäten nachgehen", sagt der Honeywell-Manager. "Erhalten wir keine Bestätigung für den Terminplan, bekommen sie auch keine Einladung."
Norton jedoch berichtet von einem Fall an einem anderen Unternehmen, wo die chinesischen Schulungsteilnehmer bei ihrer Ankunft den amerikanischen Gastgeber baten, ihnen fast das gesamte von ihrer Firma bezahlte Schulungsgeld auszuzahlen. Sie hatten nicht vor, ihre Zeit in den USA zur Vertiefung ihrer Fähigkeiten zu nutzen.
Auch beherrscht das Management auf chinesischer Seite nicht immer die finanziellen Aspekte einer Schulung, sagt Clayton. "Ich bin mir nicht sicher, ob das (chinesische) Unternehmen immer begreift, dass es zu viel zahlt", sagt er. "Die Leute, die um so etwas wie eine Schulung bitten, sind nicht immer die ranghöchsten des Unternehmens. Ich habe das Gefühl, dass sie ihr eigenes Unternehmen oft über den Tisch ziehen."
Dieser Umstand könnte dazu beitragen, Peking davon zu überzeugen, die Zusammenarbeit mit Washington auf Justizebene zu verstärken - eine Beziehung, die trotz boomender bilateraler Investitionen noch in den Anfängen steckt. Norton sagt: "Es gibt viele Leute in der chinesischen Regierung, die diese Probleme ehrlich beseitigen wollen. Aber bis jetzt weiß keiner richtig, wie man mit der chinesischen Regierung hinsichtlich dieses Problems umgehen soll."
FTD.de, 19.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: dpa, AFP
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