Die Perücke schaukelt, rutscht, kratzt auf meinem Kopf herum und ich denke: So bestrafen die Götter Anwälte in Großbritannien für überhöhte Gebühren ("Fees") und schludrige Schriftsätze. In Großbritannien gehören die weißen Perücken noch immer zum Gerichtsalltag. Klar, einige Juristen lassen die Perücke inzwischen weg, aber für einen Großteil des Lands gilt noch immer: Nur wer einen heißen Sommertag unter gedrehtem Pferdehaar so locker übersteht, dass er hinterher noch entspannt der BBC ein Interview geben kann, hat sein Geld auch wirklich verdient.
Die Richter tragen etwas, das aussieht, als hätten sie ein totes, weißes Tier auf dem Kopf und über den Schultern liegen. Bei uns ranken sich viele Geschichten um die Perücken - die meisten sind falsch. So stimmt es nicht, dass Perücken erst dann richtig gut sind, wenn sie von Generation zu Generation weitervererbt und bis in die Zeit von Oliver Cromwell zurückdatiert werden können. Es stimmt auch nicht, dass die Perücken erst dann richtig was hermachen, wenn sie einen leichten Grün-Stich angenommen haben.
Der richtige Farbton ist allerdings ein wichtiges Thema und wird ähnlich ernst genommen wie die Taktik für ein Kreuzverhör in einem Mordprozess. Schneeweiß deutet auf billiges Plastik statt Pferdehaar hin und signalisiert: Berufsanfänger. Ein zu gräuliches Grau lässt den Mandanten eventuell zurückzucken. Gerade wenn es sich dabei um den Inhaber einer Perücken-Reinigung handeln sollte.
Bis in die Gegenwart hinein sind alle spektakulären Prozesse ohne Perücke undenkbar: Die Scheidung von Ex-Beatle Paul McCartney, die gerichtliche Untersuchung des Unfalltods von Lady Di oder die Entschädigung für die Farmer von BSE-Rindern. Wir Kontinentaleuropäer reagieren in der Regel mit einer Mischung aus Abgestoßensein und Faszination auf diese schöne Tradition - oder mit Langeweile.
Ich selbst erinnere mich an den langweiligsten Vormittag meines Erwachsenenlebens, den ich im County Court im schottischen Stirling verbrachte, weil ich meinen künftigen Mann, einen Anwalt, mal in voller Montur sehen wollte. Ich erwartete ein spannendes Musterverfahren über geklaute Whisky-Rezepturen, Familienstreitigkeiten zwischen Highland-Clans oder portugiesischen Lastwagenfahrern, die wieder einmal die Sache mit dem Linksverkehr in Großbritannien durcheinander bekommen hatten. Stattdessen verbrachten wir den Vormittag mit Terminabsprachen für gefühlt alle Prozesse an diesem Gericht bis zum Jahr 2010.
Warum haben Sie sich Ihren Mann nicht zu Hause in Ruhe angeguckt, werden Sie fragen. Ganz einfach: Weil die Perücke mitnichten an einem so schnöden Ort wie dem heimatlichen Kleiderschrank aufbewahrt wird, sondern in einem Umkleidezimmer im Gericht, das fatal an die Spinde aus dem Sportunterricht erinnert. Nur dass der Inhalt des Spinds wenig mit dem Inhalt eines Turnbeutels gemein hat.
Frauen dürften selbstverständlich nicht ins Umkleidezimmer hinein, weil sie dann vielleicht - shocking - einen Richter im Unterhemd zu sehen bekämen. Lange sah es so aus, als würden die guten alten Traditionen an englischen Gerichten allmählich aussterben, doch mittlerweile haben die englischen Anwälte den Markenwert ihrer Berufskleidung erkannt und sich dafür ausgesprochen, auch weiterhin Perücke zu tragen.
Wenn sie dann aus einem Gerichtssaal kommen und sich dem Blitzlichtgewitter der Kameras stellen, sagen sie nicht etwa "Cheese", sondern "Fees". Sie sollten das zu Hause vor dem Spiegel mal probieren. Es sieht ganz natürlich aus.
FTD.de, 23.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: Bloomberg
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