Malgorzata Krzysztoszek vom Arbeitgeberverband Lewiatan forderte, die Sozialausgaben müssten dringend reduziert und mehr in Bildung und Forschung investiert werden. Auch sei keine Basis für niedrigere Steuern geschaffen worden. "Die Bedingung für Steuersenkungen ist eine grundlegende Reform der Staatsfinanzen", sagte Krzysztoszek der FTD. "Uns ist nicht bekannt, dass die Regierung an so einer Reform arbeitet." Bohdan Wyznikiewicz vom Institut für Marktwirtschaftsforschung verweist zudem auf den Lohndruck aufgrund des Mangels an Facharbeitern. "Wir nähern uns immer weiter dem Gehaltsniveau jener Länder an, in die Polen emigrieren", sagte er. Dies führe über höhere Bezüge auch zu Kostensteigerungen im öffentlichen Sektor.
Die bisherige Passivität der Regierung von Premier Donald Tusk erklärt sich auch durch die hohen Zustimmungsraten. In Umfragen liegt die regierende Bürgerplattform (PO) regelmäßig bei über 50 Prozent und erreicht damit die besten Werte einer polnischen Nachwenderegierung. Tusk selbst rief unlängst in einem Interview mit der Tageszeitung "Polska" zu einer moderaten Politik auf. "Alle fragen nach bahnbrechenden Reformen", sagte er. "Aber ich sage: Lasst die Polen endlich in Ruhe mit revolutionären Veränderungen."
Allerdings mehren sich die ökonomischen Warnsignale. Die steigende Inflation ließ sich bisher auch durch eine Reihe von Zinserhöhungen der Zentralbank nicht aufhalten. Und das Wirtschaftswachstum scheint angesichts der globalen Abkühlung seinen Höhepunkt mit 6,5 Prozent im vergangenen Jahr überschritten zu haben.
Eine Reform der Einkommensteuer, die in der Bevölkerung umstritten ist, hat die Regierung auf die lange Bank geschoben. Zwar hält das Finanzministerium daran fest, langfristig eine Flat Tax einzuführen. Doch dazu wird es wohl nicht vor 2010 kommen. Eine Reform der Staatsfinanzen, die dem vorausgehen müsste, dürfte auf den Widerstand des Koalitionspartners von der Bauernpartei PSL stoßen. Einer der größten Ausgabenposten, der Experten zufolge drastisch reduziert werden sollte, sind die Zuschüsse aus dem Haushalt für die Sozialversicherung der Landwirte.
Dort, wo die Regierung radikale Reformen ankündigt, löst sie Entrüstung aus. So schlägt das Arbeitsministerium vor, in Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern den Kündigungsschutz einzuschränken. Entlassen werden könnten dann mit geringer Abfindung auch Schwangere und ältere Mitarbeiter. Es folgten Schlagzeilen wie "Tusk macht Arbeiter zu Sklaven". Gleiches gilt für Pläne, die Frühverrentung zu erschweren und das Rentenalter für Frauen von 60 auf 65 Jahre anzuheben.
In Sachen Entbürokratisierung hat die Regierung immerhin erste Schritte gemacht. So soll die Umsatzgrenze, von der an Unternehmen eine vereinfachte Buchführung machen dürfen, deutlich angehoben werden. Außerdem arbeite die Koalition an einer schnelleren Rückerstattung der Mehrwertsteuer, wie der PO-Fraktionsvorsitzende Zbigniew Chlebowski vor Kurzem sagte.
Die Ziele der liberalen Regierung bleiben hoch gesteckt: Im Jahr 2011 soll das Haushaltsdefizit trotz Steuerreform auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts fallen, so der Euro-Konvergenzplan des Finanzministeriums. Wie dies erreicht werden soll, ist unklar.
Aus der FTD vom 26.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: dpa
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