Der Pawlowsche Hund könnte schon bald Gesellschaft bekommen: den Pawlowschen Fisch. US-Wissenschaftler wollen das konditionierte Lernen, das der russische Forscher einst nachgewiesen hat, bei Barschen erproben. Wenn das funktioniert, könnte manche Fischfarm bald überflüssig werden. Einmal trainierte Fische könnten in die Freiheit entlassen werden, um sich dann bei Bedarf selbst zu fangen, indem sie - angelockt durch ein Tonsignal - in einen Käfig schwimmen.
"Es klingt verrückt, aber es stimmt", sagt Simon Miner, wissenschaftlicher Assistent am Labor für Meeresbiologie von Woods Hole, einem Forschungsinstitut im US-Staat Massachusetts. Ziel ist laut Miner einerseits eine Aufstockung der Bestände des Schwarzen Sägebarsches. Andererseits könnten langfristig die Kosten für die Fischzucht minimiert werden. Wenn man Fischen beibringen kann, sich Nahrung im offenen Meer zu suchen und auf Abruf zurückzukehren, müssten die Züchter beispielsweise kein Futter mehr vorhalten.
Das klingt so verrückt, dass bei den kommerziellen Fischzüchtern viel Überzeugungsarbeit zu leisten sein wird. Die Skepsis überwiege, sagt Randy MacMillan, Präsident der Nationalen Vereinigung für Aquakultur in den USA. Noch nie hat jemand versucht, Fische dazu zu bringen, ins offene Meer hinauszuschwimmen und wieder in die Gefangenschaft zurückzukehren.
Das Projekt in Massachusetts begann im Sommer vergangenen Jahres. An dem Experiment beteiligt sind rund 6500 Schwarze Sägebarsche, die normalerweise zwischen Florida und Cape Cod leben. Sie können knapp eineinhalb Kilogramm schwer und rund einen halben Meter groß werden.
Die erste Frage sei gewesen, ob die Barsche überhaupt trainiert werden könnten, sagt Miner. Die Fische wurden in einem runden Tank gehalten. Bevor sie gefüttert wurden, ertönte immer das gleiche Signal. Dann warfen die Wissenschaftler das Futter in ein bestimmtes Areal des Käfigs, das die Fische nur durch einen schmalen Durchlass erreichen konnten. Das Ganze wiederholten die Forscher drei Mal am Tag, etwa zwei Wochen lang.
Danach seien die Fische tatsächlich auf das Tonsignal konditioniert gewesen, sagt Miner. "Man drückt einen Knopf, sie kommen und warten geduldig." Nach dem gleichen Prinzip hatte Pawlow Hunde dazu gebracht, beim Klang einer Glocke Futter zu erwarten: Der akustische Reiz genügte, um Speichelfluss auszulösen.
Als nächstes versuchte Miner herauszufinden, wie lange die Konditonierung anhält. Manche Fische vergaßen den Zusammenhang zwischen Signal und Futter nach fünf Tagen, andere erst nach zehn. Wahrscheinlich gebe es eine Verbindung zur Dauer des Trainings, vermutet Miner.
Im Mai wollen die Wissenschaftler 5000 Schwarze Sägebarsche in den Aquadome bringen, eine Fütterungsanlage mit zehn Metern Durchmesser, die 70 Kilometer südöstlich von Boston auf dem Meeresboden verankert ist. Dort werden die Fische auf das Tonsignal konditoniert und ins Meer entlassen. Nach ein bis zwei Tagen soll das Futtersignal sie zurückrufen.
MacMillan zweifelt daran, dass das Experiment funktioniert. "Nach meiner Erfahrung wandern Fische weit", sagt er. Außerdem werde eine große Anzahl Raubfischen zum Opfer fallen. Projektleiter Scott Lindell kann diese Bedenken nicht von der Hand weisen. Aber auch wenn nur die Hälfte der Barsche zum Aquadome zurückkehre, wäre dies profitabler als alles andere, was bislang praktiziert werde, sagt er. Ergebnisse erwartet das Forschungsteam frühestens im Mai.
ap, 27.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: AP
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