"Wir dementieren den Ausverkauf der Transrapid-Technologie", sagte eine Sprecherin von ThyssenKrupp Technologies am Freitag. Nach vorherigen Aussagen waren Zweifel an der Haltung des Konzerns aufgekommen. ThyssenKrupp wolle in den nächsten Wochen Verhandlungen mit der chinesischen Regierung über den Transfer der Magnet-Technologie beginnen, berichtete die "Welt" am Donnerstagabend unter Berufung auf Unternehmenskreise. Möglich seien sowohl eine Lizenzvergabe als auch der vollständige Verkauf. Letzteres würde den Abbau von 220 Arbeitsplätzen in Kassel bedeuten.
Zudem hatte der Chef der ThyssenKrupp-Industriesparte, Olaf Berlien, bereits vor einiger Zeit - noch vor dem endgültigen Aus des Transrapid - mit weiterem Technologietransfer nach China gedroht, falls der Transrapid in München nicht gebaut werde. "Sollte die Strecke zum Münchner Flughafen nicht gebaut werden, machen wir mit den Chinesen eine Partnerschaft", sagte Berlien damals. Neben einem Gemeinschaftsunternehmen hielt Berlien auch den Verkauf von Technologie an China oder eine Vertriebspartnerschaft für möglich. Das hatten viele Beobachter damals zwar als politisches Drohpotenzial abgetan, um das Projekt in Deutschland noch zu realisieren. Doch zumindest stand diese Möglichkeit damit schon im Raum.
Den aktuellen Pressebericht hatte ThyssenKrupp am Freitag zunächst nicht eindeutig kommentiert: "Wir vertrauen weiter auf die Transrapid-Technologie". Das klare Dementi zu den angeblichen Verkaufsplänen kam erst später. Vorrangiges Ziel für ThyssenKrupp ist nach Angaben des Unternehmens, die Verlängerung der Schanghai-Strecke. Der Bund und die Wirtschaft hatten in den vergangenen Jahrzehnten rund 2,4 Mrd. Euro in die Forschung und Entwicklung der Magnetbahn-Technologie gesteckt.
ThyssenKrupp stellt im Transrapid-Konsortium das Antriebssystem bereit, an dem die Chinesen besonders interessiert sein sollen. Die Transrapid-Strecke in der chinesischen Metropole Schanghai ist bisher abgesehen von der Teststrecke im Emsland die einzige weltweit. Die Entscheidung über mögliche weitere Routen zieht sich seit Jahren hin.
Wichtig ist vor allem eine Referenzstrecke, wenn die deutsche Industrie die Technologie auf Dauer weltweit vermarkten will. Die Trasse in China kann kaum als Referenz dienen, da sie von den Chinesen bereits überwiegend als eigene Leistung dargestellt wird. Im Wesentlichen hat ThyssenKrupp noch die Kerntechnologie, die Trag- und Führmagnet-Technologie, in der Hand. Streckenbau, Fertigung der Waggonkästen und Innenausstattung der Züge machen die Chinesen bereits selbst.
Schon seit längerem ist die chinesische Regierung daran interessiert, die vollständige Transrapid-Technologie zu erhalten. Für die Lizenzen der Fahrwagen haben die Chinesen dem Bericht zufolge 80 Mio. Euro an ThyssenKrupp gezahlt. Das Herzstück hingegen, das Antriebs- und Steuerungssystem, liegt weiterhin in deutscher Hand und wurde auch beim Bau der Shanghaier Transrapid-Bahn vom Konsortium von ThyssenKrupp und Siemens nicht aus den Händen gegeben.
Das Transrapid-Projekt gilt in Deutschland als gescheitert: Vor allem die Baukosten für die geplante, 37 Kilometer lange Transrapid-Verbindung zwischen dem Münchner Flughafen und Hauptbahnhof ließen die Aufwendungen für den Zug von den noch im Herbst 2007 veranschlagten 1,85 Mrd. Euro auf nun 3,4 Mrd. Euro klettern. Bund, Bayern und Industrie hatten daher am Donnerstag die Reißleine gezogen.
Nach dem Aus für den Transrapid hatten sich Politiker gegenseitig die Schuld für das Scheitern der Magnetschwebebahn zugewiesen und zugleich die Rolle der Wirtschaft kritisiert. Die Politik müsse sich auf die Kalkulationen der Industrie, die noch im Herbst viel niedriger lagen, verlassen können, sagte Bayerns Ministerpräsident Beckstein der "Passauer Neuen Presse": "Höchstrangige Wirtschaftsvertreter geben so eine Zusage doch nicht blauäugig ab." CDU-Finanzexperte Steffen Kampeter sagte der "Berliner Zeitung": "Die Industrie wollte offensichtlich kein Leuchtturmprojekt, sondern Kasse machen."
FTD.de, 28.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland
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