Das Ende der Benzinhysterie

von Tobias Bayer (Frankfurt)

Jahre lang wurde die Hausse des Ölpreises mit Raffinerieengpässen und der Driving Season in den USA begründet. Doch jetzt ändert sich das Bild: Die Unternehmen haben Kapazitäten aufgebaut, die Nachfrage sinkt - und Diesel läuft Benzin den Rang ab.

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Michael Lynch ist genervt: "Die wenigsten Ölanalysten beschäftigen sich mit Raffinerien und Produkten. Das ist für viele ein bisschen zu viel Chemie. Das geht mir manchmal gehörig auf den Wecker." Lynch ist Präsident des Beratungshauses Strategic Energy & Economic Research in Winchester, Massachusetts. Seine Botschaft lautet: Die Ölpreise werden in den kommenden Wochen unter Druck geraten, weil es im größten Verbraucherland USA ein Überangebot an Benzin und anderen Ölprodukten gibt.

In den vergangenen Jahren spielte die Angst vor Raffinerieengpässen in den USA auf dem Ölmarkt eine bedeutende Rolle. Analysten begründeten damit zumindest teilweise die gewaltigen Preisanstiege. Denn der Rohölpreis wirkt sich nicht nur auf den Benzinpreis aus, sondern die Beziehung gilt auch umgekehrt: Raffinerien fragen aus technischen Gründen und wegen ökologischer Auflagen besonders leichtes Rohöl mit geringem Schwefelgehalt nach.

Das hat dazu geführt, dass die an den Energiebörsen gehandelten leichten Sorten West Texas Intermediate (WTI) und Brent, die als Referenzgrößte für Ölgeschäfte verwendet werden, mit heftigen Preisaufschlägen gegenüber schwerem Öl notieren. Ein Barrel (entspricht 159 Litern) WTI kostet momentan über 105 $ je Barrel. Das sind 65 Prozent mehr als im Vorjahr - und sogar 350 Prozent mehr als vor fünf Jahren. Die Differenz zwischen WTI und der schweren Sorte Maya - ein wichtiger Indikator - liegt momentan bei 16,70 $. Das ist deutlich mehr als der Durchschnitt der vergangenen Jahre.

Situation der Raffinerien hat sich entspannt

Geringe Auslastung wie bei Hurrikan Katrina: Hier eine geflutete Chevron-Raffinerie in Pascagoula, Mississippi
 Geringe Auslastung wie bei Hurrikan Katrina: Hier eine geflutete Chevron-Raffinerie in Pascagoula, Mississippi

Die Situation bei den Raffinerien hat sich jetzt laut Experten aber entspannt. Die Auslastung in den USA liegt bei 82,2 Prozent. Das ist so tief wie seit Herbst 2005 nicht wieder, als die Wirbelstürme "Katrina" und "Rita" ganze Produktionsstätten außer Kraft setzten. Die Ursache: Die Benzinnachfrage der Amerikaner ist gering, die Bestände sind so hoch wie seit rund 15 Jahren nicht mehr. "Bald wird auch die Nachfrage nach Heizöl zurückgehen. Das wird den Rohölpreis kräftig unter Druck setzen", ist Ölexperte Lynch überzeugt.

Auch langfristig stimmt das Bild. Die gesetzlich vorgeschriebene Umstellung von MTBE auf Ethanol beim sogenannten Blending haben die Raffinerien abgeschlossen. Außerdem sei weltweit in neue Kapazitäten investiert worden, sagt Martin Tallett, Gründer von Energysys, einem Beratungsunternehmen für die Ölindustrie: "Die Industrie hat Projekte mit einem Volumen von 18 Millionen Barrel angekündigt. Selbst wenn man konservative Annahmen zugrunde legt, sieht die Situation zwischen 2010 und 2012 komfortabel aus", sagt Tallett.

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FTD.de, 31.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: AP

 

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