Sie begann bei einem kalifornischen Hypothekenanbieter und hat inzwischen Märkte in aller Welt erfasst: Die Subprime-Krise um schlecht besicherte US-Immobilienkredite betrifft längst auch andere Branchen. Unter den Opfern sind zunehmend deutsche Unternehmen.


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Gastkommentar

Dennis J. Snower: Wegschauen hilft nicht

Auf ein schnelles Ende der Finanzkrise zu hoffen ist naiv: In den USA werden Konsum wie Börsen einbrechen, Inflation und Arbeitslosigkeit dagegen steigen. Die Folgen werden weltweit zu spüren sein.

Beinah täglich ereilen uns neue Schreckensmeldungen von den internationalen Finanzmärkten - und immer wieder ist die Öffentlichkeit überrascht von den schlechten Neuigkeiten. Anstatt zu lamentieren und uns verzweifelt zu fragen, wo das alles enden wird, sollten wir uns lieber die Frage stellen: Was ist eigentlich überraschender? Dass die Finanzmärkte immer weiter in die Krise schlittern? Oder dass wir uns von jeder schlechten Nachricht immer wieder aufs Neue überraschen lassen?

Ich denke, die immer wiederkehrende Überraschung sollte mehr erstaunen. Und wir sollten etwas dagegen tun, ständig kalt überrascht zu werden. Hätten die Banken, die Investmenthäuser und die amerikanischen Hausbesitzer die bekannten Risiken des Subprime-Markts richtig und rechtzeitig wahrgenommen, wäre der Welt die Finanzkrise erspart geblieben.

Warum nur werden die Auswirkungen der Finanzkrise dauernd unterschätzt? Die Antwort ist einfach: Menschen fehlt es oft an Weitsicht. Sie können sich schwer eine Zukunft vorstellen, die nicht der Gegenwart ähnelt. Sie verstehen nicht, dass wirtschaftliche Ereignisse sich aufgrund langfristiger Anpassungsprozesse nur allmählich entfalten. Doch diese langsamen Anpassungsprozesse sind von großer Bedeutung. Nachdem der Schiffsrumpf der "Titanic" aufgeschlitzt worden war, dauerte es mehrere Stunden, bevor er sich mit Wasser füllte. Nur weil sich die Passagiere den Fortgang der Ereignisse nicht vorstellen konnten oder wollten, wurden sie vom Sinken des Schiffes überrascht.

Vier große Gefahren

Meines Erachtens trägt die aktuelle Finanzmarktkrise vier große Gefahren in sich, deren Auswirkungen wegen der nur langfristig ablaufenden Anpassungsprozesse bisher verborgen bleiben.

Die erste Gefahr ist seit Beginn der Krise im August 2007 virulent: Weil niemand wusste, bei wem konkret die Risiken der Subprime-Krise lagen, führte diese Krise zu einem Liquiditätsengpass im internationalen Bankensystem. In der Folge wurde die Kreditvergabe an Unternehmen und an Haushalte eingeschränkt. Das wiederum wird zu einer geringeren Investitions- und Konsumneigung führen und verringert mit einiger Verzögerung auch die Börsenwerte vieler Unternehmen. Sinkende Börsenkurse könnten - ebenfalls zeitverzögert - die Liquiditätskrise der Banken noch verstärken, es sei denn, es kommt unvorhergesehen zu einer Verbindung günstiger Umstände.

Die zweite Gefahr liegt in der Dynamik, die der amerikanischen Immobilienkrise innewohnt: Immer mehr Immobilien stehen zum Verkauf und drücken so die Hauspreise. Das führt dazu, dass künftig noch mehr Hypothekendarlehen hinfällig werden. Das wiederum zieht unweigerlich eine stetige Verschärfung der Kreditkonditionen nach sich.

Die dritte Gefahr resultiert aus dem Zusammenspiel von Privatvermögen, Konsum und Beschäftigung. Das auf dem Immobilienmarkt und an der Börse gehaltene Vermögen der amerikanischen Haushalte verringert sich in der gegenwärtigen Krise stetig und wird zu einem Rückgang der Konsumausgaben führen, der folglich die Gewinne und schließlich auch die Investitionen der Unternehmen reduzieren wird. Als Konsequenz wird nach einer Verzögerung auch die Beschäftigung zurückgehen, sodass sich auch der Konsum noch weiter verringern wird.

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Aus der FTD vom 31.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland

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