Die Aufnahme von Polen, Tschechien und Ungarn markierte den Anfang vom Ende der durch den Kalten Krieg bedingten Spaltung Europas. Jene Erweiterung der Nordatlantischen Allianz sowie die des Jahres 2004 haben erheblich dazu beigetragen, in Europa eine Region der Stabilität, des Friedens und der Sicherheit zu schaffen. Erweitert um neue Mitgliedsstaaten stärkt die Nato die Demokratie in Europa. Für viele neue Mitglieder stellt sie zudem eine Brücke zur Europäischen Union (EU) dar.
Ziel der demokratischen Länder Europas muss es sein, das Gebiet der Freiheit weiter auszuweiten. Hinsichtlich der Länder auf dem Balkan sowie der Ukraine und Georgiens ist diese Aufgabe für die Nato von besonderer Bedeutung. Frieden und eine stabile Demokratie in diesen Regionen liegen im Interesse aller Länder Europas, nicht nur im Interesse der Nato-Mitglieder. Ungeachtet strategischer Gründe hat die Allianz die moralische Verpflichtung, die Überreste der Spaltung Europas aus der Welt zu schaffen.
Die Ukraine und Georgien haben nach Erlangung ihrer Unabhängigkeit die enorme Aufgabe in Angriff genommen, sich zu reformieren. Ziel dieser Bemühungen ist es, wieder in den Kreis der europäischen Familie aufgenommen zu werden. Natürlich geht die Umsetzung von Reformen nicht problemlos vonstatten. Der Systemwandel hat seinen Preis - das polnische Volk hat das am eigenen Leib erfahren. Wir erinnern uns an die Entbehrungen und die Opfer, die wir auf dem Weg in die Nato und in die EU bringen mussten. Und wir sind dankbar für die Unterstützung, die wir von unseren Partnern erhalten haben.
Heute benötigen Georgien und die Ukraine diese Art der Unterstützung. Die Bitte dieser beiden Länder, die Kooperation mit der Allianz zu vertiefen, kann die Nato nicht ignorieren. Diese Staaten wollen Teil des Nato-Aktionsplans für die Mitgliedschaft (MAP) werden. Die Nato hat die Pflicht, darauf positiv zu reagieren.
Skeptiker sagen, mit dem Beitritt zu dem Aktionsplan gehe die Verpflichtung einher, eine Nato-Mitgliedschaft zu gewähren. Das ist eine irreführende Vereinfachung. Der Aktionsplan hat keinen festen Zeitrahmen, und er verpflichtet die Allianz nicht dazu, den Prozess mit einer Aufnahme der betreffenden Länder in die Nato abzuschließen. Der Aktionsplan schafft eine neue Kategorie von Beziehungen, die keinen automatischen Aufstieg zu einer höheren Kooperationsebene verlangt, sondern die Chance bietet, positive Veränderungen in Politik und Wirtschaft zu verstärken.
Die Ukraine und Georgien sind heute noch nicht ganz bereit, sich in den Kreis der Nato-Mitglieder einzureihen. Doch sie arbeiten bereits gut mit dem Militärbündnis zusammen. Sie in den Aktionsplan aufzunehmen wird die weitere Umsetzung politischer und militärischer Reformen in diesen Ländern weiter befördern.
Europas Staats- und Regierungschefs müssen sich bewusst sein, dass die Nato-Integration parallel zur EU-Erweiterung verläuft. Werden die Ukraine und Georgien auf dem Nato-Gipfel in Bukarest nicht in den Aktionsplan für die Mitgliedschaft aufgenommen, wäre dies nicht nur für die Nato eine schlechte Nachricht, sondern auch für die EU. Der Aufbau eines stabilen europäischen Sicherheitssystems könnte aufs Spiel gesetzt werden.
Löst die Nato überdies nicht die Frage einer Mitgliedschaft der Staaten Albanien, Kroatien und Mazedonien und beginnt sie auch keine Kooperation mit Serbien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro, wird die politische Mission der Allianz eine schmerzliche Niederlage erleiden. Damit würden der politische Zweck der Nato und ihre Bedeutung für die Sicherheit in Europa und der Welt verloren gehen. Die Nato würde ihre Stabilisierungsfunktion unwiederbringlich verlieren.
Das Gipfeltreffen ist der richtige Zeitpunkt, um darüber zu entscheiden, den Aktionsplan für die Mitgliedschaft auf die Ukraine und Georgien auszuweiten. Wir dürfen diesen Staaten ihr Recht auf eine europäisch-atlantische Integration nicht verwehren. Wir dürfen sie angesichts des enormen Drucks von innen und außen nicht allein lassen.
Lech Kaczynski ist Staatspräsident von Polen.
Aus der FTD vom 03.04.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: reuters
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