Kommentar

Transrapid - Endstation Spukhafen

von Olaf Preuss

Der Transrapid gilt seit Jahrzehnten als deutsche Zukunfts- und Vorzeigetechnologie, dabei war er ökonomisch von Anfang an eine Totgeburt. Ein wirklich allerletzter Nachruf.

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Natürlich kann man die Attrappe des Superzugs vor dem Eingang des Münchner Flughafens stehen lassen. Bestimmt will auch in Zukunft mancher technikbegeisterte Fluggast wissen, dass er aus dem Erdinger Moos per Bahn theoretisch genauso schnell in die Münchner Innenstadt kommen könnte wie mit dem Jet. Besser wäre das Transrapid-Modell aber in einem Wachsfigurenkabinett geparkt, neben einer Ahnengalerie deutscher Verkehrsminister - oder im Sackbahnhof eines Technikmuseums, neben Wankelmotor, Zeppelin, Schnellem Brüter und Quadrofonie.

Seit gut 40 Jahren hält die Magnetschwebebahn die deutsche Verkehrspolitik in Bewegung. Bewegt allerdings hat sie hierzulande seither niemanden, abgesehen von einigen Tausend Passagieren auf der gut 32 Kilometer langen Teststrecke im Emsland.

Technisch genial, wirtschaftlich sinnlos

Das Grundprinzip des Zuges, der ohne Räder rasen kann, erdachte Anfang der 30er-Jahre der Ingenieur Hermann Kemper. Technologisch war die Magnetschwebebahn ein Geniestreich - nur ökonomisch leider eine Totgeburt. Als Ende der 70er-Jahre erste konkrete Planungen für Transrapidstrecken begannen, war Westdeutschland längst von einem dichten und modernen Schienennetz durchzogen. Die allgegenwärtige Präsenz der Bahn als hochflexibles und relativ preisgünstiges Massenverkehrsmittel stand einem Erfolg der Schwebetechnik in Deutschland von Beginn an im Weg. Das aber wollen manche Verkehrspolitiker und Industriemanager bis heute nicht wahrhaben.

Sollte es hierzulande je eine Marktnische für den Transrapid gegeben haben, wurde diese spätestens von den ICE-Hochgeschwindigkeitszügen und rapide gefallenen Flugpreisen dichtgemacht. So war auch die einzige längere Strecke, die im Detail geplant wurde, ein reines Prestigeprojekt. Es war der Traum, die Metropolen Berlin und Hamburg nach der deutschen Einheit mit einer Fahrzeit von nur noch rund einer Stunde zu verbinden. Ende der 90er-Jahre war auch dieses Projekt vom Tisch - zermürbt letztlich nicht vom massiven Widerstand zahlreicher Bürgerinitiativen entlang des geplanten Fahrwegs, sondern von simpler kaufmännischer Kalkulation. Zugunsten des Transrapids, den in erster Linie zahlungskräftige Passagiere und Geschäftsleute hätten nutzen können, wurde der Ausbau der Strecke Berlin-Hamburg zur ICE-Trasse jahrelang blockiert. Heute bringen die Schnellzüge ihre Fahrgäste in rund 90 Minuten von einer Stadt in die andere, zu Fahrpreisen, die auch der Normalbürger bezahlen kann.

Die Magnetschwebebahn hätte bereits im vergangenen September beerdigt werden können. Dem scheidenden bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber allerdings wollte man das Hightech-Spielzeug nicht noch im letzten Moment wegnehmen, er hatte ja schon all seine Ämter aufgeben müssen. Einmal mehr hat sich seither erwiesen, dass die Baukosten für eine Transrapid-Strecke dramatisch zu niedrig kalkuliert worden waren. Mehr öffentliche Mittel aber wird das Konsortium aus Siemens und ThyssenKrupp vom Bund und vom Land Bayern nicht bekommen. So darf nun Stoibers Nachfolger Günther Beckstein den Schwebezug endlich zu Grabe tragen.

Das Kostbarste, was uns vom Transrapid bleibt, ist Stoibers legendäres Stakkato, in dem er darlegt, wie er dank Magnetbahn in zehn Minuten - "ohne einzuchecken" - vom Münchner Hauptbahnhof via London und Paris nach Rom kommt. Diese Erkenntnis hat die deutschen Steuerzahler über die Jahre allein rund 1,3 Mrd. Euro Subventionen aus dem Bundeshaushalt gekostet.

Mit dem Aus für die Münchner Strecke hat der Technologiestandort Deutschland einen herben Rückschlag erlitten, glaubt man Beckstein. Gottlob gibt es den Export. Zwar liegt die Auslastung der weltweit einzigen kommerziellen Transrapid-Strecke in Schanghai weit unter den Prognosen, machen die chinesischen Betreiber mutmaßlich hohe Verluste mit der Magnetschwebebahn. Zwar ist völlig unklar, ob die Trasse noch einmal erweitert wird, wie ursprünglich erwogen. Doch träumt man bei Siemens und bei Thyssen unverdrossen weiter von den Absatzmärkten im Ausland.

Der Fliegende Holländer

Schöne Landkarten stehen auf der Internetseite www.transrapid.de, sie zeigen Planspiele im Nahen Osten und in Großbritannien, in den USA und in den Niederlanden. Nur ein Auftragseingang ist nirgendwo verzeichnet. Aber vielleicht gefällt es ja dereinst mal irgendeinem Scheich, den Transrapid über die Wüste flitzen zu lassen. Geld spielt am Golf bekanntlich keine zentrale Rolle.

Zwischen Hamburg und Berlin fuhr bereits in den 30er-Jahren ein spektakulärer Schnellzug. Es war der "Fliegende Hamburger", der die Großstädte mit Tempo 230 in damals sensationellen 2 Stunden und 18 Minuten verband. Rekorde im Normalbetrieb wird der Transrapid in Deutschland nicht einfahren. Er bleibt, was er immer war: ein Fliegender Holländer, verdammt dazu, auf alle Zeit in der Fantasie von Hightech-Enthusiasten herumzuspuken. Viele Legenden erzählt man über ihn. Gesehen aber hat ihn keiner.

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Aus der FTD vom 28.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland

 

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