Leitartikel

Abgeltungsteuer - Kapitales Chaos

Klar, verlässlich, international konkurrenzfähig. So müssen Steuern auf Kapitalerträge sein, wenn die Deutschen Privatvermögen aufbauen sollen, mit dem sie sinkende Leistungen aus der Sozialversicherung ausgleichen können.

ZUM THEMA

Die Abgeltungsteuer, die 2009 in Kraft tritt, sollte all diese Kriterien erfüllen. Wie sich jetzt erweist, setzt das Bundesfinanzministerium die gute Idee einer Pauschalsteuer in Höhe von 25 Prozent aber derart schlecht um, dass für Anleger plötzlich alles unklar und unsicher ist - und der Anreiz, Geld steuersparend im Ausland anzulegen, weiter gesteigert wird.

Mit der Abgeltungsteuer wollte die Große Koalition zur Veranlagung von Kapitaleinkünften ein faires System ohne neue Privilegien schaffen. Deshalb erschien es zwar durchaus wie ein Bruch in diesem System, dass die Abgeltungsteuer nicht auf in Dachfonds und Zertifikatefonds reinvestierte Gewinne erhoben werden sollte. Doch der Umstand, dass Finanzminister Peer Steinbrück seit Inkrafttreten des Gesetzes im Sommer 2007 diese allgemein verbreitete Auslegung nach Kräften stützte, verstärkte den Eindruck noch, hier sei ein Steuerschlupfloch bewusst geduldet worden. So viel Unvermögen herrscht weder im Finanzministerium noch im Bundestag, dass in die Regeln zur Abgeltungsteuer ein solches Schlupfloch versehentlich eingebaut worden wäre.

Täuschungen und Enttäuschungen

Tatsächlich war die Frage, ob Fondssparer im Vergleich zu Direktanlegern bessergestellt werden sollten, im Unklaren belassen worden. Dass diese Frage nun im Jahressteuergesetz 2009, also im allerletzten Augenblick, abschlägig beantwortet werden soll, dürfte sehr schlichte Gründe haben: Seit Monaten schichten massenhaft Sparer gutgläubig ihr Geld in Dachfonds um - wenn die Fonds steuerfrei blieben, könnten dem Staat Milliardeneinnahmen entgehen.

Angesichts dieser Erkenntnis ist man im Steinbrück-Ministerium offenbar bereit, das Vertrauen vieler Privatanleger in das Steuersystem zu zerstören. Denn sollten die fraglichen Fonds unter die Abgeltungsteuer fallen, werden die betroffenen Anleger sich vorkommen wie in einem fiskalpolitischen Willkürstaat.

Daran tragen Banken und Anlagevermittler allerdings erheblich Mitschuld. Sie haben seit Monaten aggressive Marketingkampagnen für Steuersparmodelle gestartet, ohne sicher zu wissen, dass die verkauften Produkte der Abgeltungsteuer entgehen. Die Aussicht auf Umschichtungen in Privatkundendepots und damit verbundene Umsätze haben die nackte Gier geweckt. Ehrliche, verantwortungsbewusste Anlageberatung: Fehlanzeige. Täuschungen und Enttäuschungen prägen die Einführung der Abgeltungsteuer in Deutschland. Schade um eine gute Idee.

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Aus der FTD vom 31.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland

 

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