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Ein Symbol soll verbeamtet werden

Schicksal des Hauses der Demokratie bleibt unklar

25.02.1998

Blickpunkt - Seite 03

Frank Junghänel

BERLIN, 24. Februar. Möglicherweise wird die Berliner Friedrichstraße bald um eine Attraktion reicher. Es gibt dort inzwischen zwar sehr viele, sehr noble Geschäfte und Büros, Hausbesetzer allerdings gibt es bis jetzt noch nicht. Doch das könnte sich ändern. Nutzer des Hauses der Demokratie haben jetzt angekündigt, das Gebäude zu besetzen und sich "notfalls heraustragen zu lassen", falls die Immobilie verkauft wird.

Genau das aber müssen sie befürchten. Aktueller Bewerber ist der Deutsche Beamtenbund und in den letzten Tagen schien es, als sei der Verkauf nur noch eine Frage der Unterschrift. Doch am gestrigen Dienstag verkündete die Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR nach mehrstündiger Beratung, die Entscheidung sei bis Ostern vertagt.

Erreicht wurde dieser Aufschub durch einen alternativen Vorschlag von ehemaligen DDR-Bürgerrechtlern. Sie plädieren dafür, das Haus der Demokratie in die zu errichtende Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur als Stiftungsvermögen einzubringen. Die Unabhängige Kommission läßt nun prüfen, ob ein Erwerb der Immobilie durch die Bundesstiftung "politisch und wirtschaftlich in Betracht kommt".

Die Entscheidung über das Schicksal des symbolträchtigen Hauses steht damit unmittelbar bevor. 1990 erhielt die Bürgerbewegung das Gebäude vom Runden Tisch zugesprochen, das einst der Münchner Pschorr-Brauerei gehörte, später dem Oberschlesischen Steinkohlesyndikat und in dem zu DDR-Zeiten die SED-Kreisleitung Mitte residierte. Neben dem Neuen Forum und fünf weiteren Gründungsmitgliedern haben mittlerweile rund 35 weitere Organisationen, die sich auf irgendeine Weise der Demokratie verpflichtet fühlen, im Haus ihr Büro. Darunter etwa der "Biochemische Verein" oder auch der Nichtraucherbund.

Verwaltet aber wird das Gebäude von der Treuhandnachfolgerin Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben. Und die will die Immobilie in Top-Lage für 14,7 Millionen Mark an den Beamtenbund verkaufen, der dort seinen Bundesgeschäftssitz einrichten sowie Büro- und Wohnraum vermieten will. Die bisherigen Nutzer des Hauses dürften noch fünf Jahre lang mietfrei in dem Haus arbeiten, danach zu "ortsüblichen Konditionen", allerdings nur noch auf einem Bruchteil der bisherigen Bürofläche. Das Café im Erdgeschoß und das Antiquariat müßten verschwinden.

Karolin Schubert vom Neuen Forum könnte mit ihrem Büro im Haus der Demokratie bleiben, genau wie die sechs anderen Gründungsorganisationen. Doch sie will sich auf diesen Handel nicht einlassen: "Eine Etage der Demokratie wird es nicht geben." So steht zu befürchten, daß die Friedrichstraße bald um ein paar Beamte reicher, aber um eine Attraktion ärmer wird.