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Meyers Großes Taschenlexikon in 24 Bänden plus CD-ROM
ISBN 978-3-411-10060-6
149,00 € [D]

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Marokko

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Marokko,

Fläche 458 730 km2
Einwohner (2005) 31,0 Mio.
Hauptstadt Rabat
Verwaltungsgliederung 16 Regionen
Amtsprache Arabisch
Nationalfeiertag 30. 7. und 18. 11.
Währung 1 Dirham (DH) = 100 Centime (C)
Zeitzone MEZ − 1 Stunde

amtlich arabisch Al-Mamlaka al-Maghribijja, deutsch Königreich Marokko, Staat in Nordwestafrika, grenzt im Westen an den Atlantik, im Norden an das Mittelmeer, im Osten und Südosten an Algerien, im Süden an Westsahara.

Inhaltsverzeichnis

S T A A T · R E C H T

Nach der am 7. 10. 1996 in Kraft getretenen Verfassung ist Marokko eine konstitutionelle Erbmonarchie. Staatsoberhaupt, oberster Inhaber der Exekutive und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der König. Er ernennt den Ministerpräsidenten sowie die Mitglieder der Regierung, die ihm und dem Parlament verantwortlich sind, kann den Ausnahmezustand verhängen, das Parlament auflösen und durch Dekrete regieren. Die Legislative liegt beim Zweikammerparlament, bestehend aus Repräsentantenkammer (325 Abgeordnete, für 5 Jahre direkt gewählt; 30 Mandate sind für Frauen reserviert) und Rätekammer (270 indirekt auf 9 Jahre gewählte Mitglieder). Der Wirtschafts- und Sozialrat dient als Beratungsorgan, der Verfassungsrat (12 Mitglieder, davon 6 vom König und je 3 vom Unter- und Oberhaus ernannt) ist für die Normenkontrolle zuständig. – Einflussreichste Parteien: Sozialistische Union der Volkskräfte (USFP), Unabhängigkeitspartei (PI), Partei der Gerechtigkeit und des Fortschritts (PJD), Nationale Sammlung der Unabhängigen (RNI), Volksbewegung (MP), Nationale Volksbewegung (MNP), Verfassungsunion (UC), Nationaldemokratische Partei (PND), Front Demokratischer Kräfte (FFD), Partei für Fortschritt und Sozialismus (PPS).

L A N D E S N A T U R · B E V Ö L K E R U N G

Landesnatur:

Marokko erstreckt sich von der Straße von Gibraltar im Norden bis südlich des Wadi Draa, mit 512 km langer Steilküste am Mittelmeer und 1 550 km langem Küstensaum am Atlantik. Der größte Teil des Landes wird vom Gebirgssystem des Atlas eingenommen (Rif, bis 2 456 m über dem Meeresspiegel, Mittlerer Atlas, bis 3 340 m, Hoher Atlas, im Djebel Toubkal 4 165 m, Antiatlas, bis 2 531 m), an den sich nach Südosten die Sahara anschließt; im Osten leiten Hochflächen nach Algerien über; im Nordwesten fällt ein Tafelland (Meseta) stufenweise zur Küstenebene (u. a. Rharb) ab. – Das mediterrane Klima bringt Winterregen (in Höhenlagen auch Schnee); nach Süden Übergang zum saharisch-kontinentalen Klima. Wälder sind besonders im Norden verbreitet (Kork-, Steineiche, Zeder, Atlas-Thuja).

Bevölkerung:

Die Bevölkerung besteht zu zwei Dritteln aus Arabern sowie arabisierten Berbern (Ebenen und Küstengebiet) und zu rund einem Drittel aus Berbern. Die Berber, die Sprache und Brauchtum weitgehend bewahrt haben, leben besonders in den Gebirgen; im Süden leben schwarzafrikanische Nachkommen früherer Sklaven oder Soldaten aus der Sudanzone; etwa 1,7 Mio. Marokkaner leben als Gastarbeiter im Ausland. Rd. 60 % der Einwohner leben in Städten; die Landflucht ist weiterhin stark. – Über 99 % der Bevölkerung bekennen sich zum Islam (ganz überwiegend Sunniten der malikitischen Rechtsschule), der Staatsreligion ist. Die jüdische Gemeinde ist mit rd. 6 000 Mitgliedern die größte in der arabischen Welt. – Es besteht allgemeine Schulpflicht im Alter von 7 bis 13 Jahren. Die Alphabetisierungsrate wird auf (2004) 51 % (alle über 15 Jahre) beziehungsweise 70 % (15–24-Jährige) geschätzt. Marokko hat 14 Universitäten, die bedeutendste ist die Université Mohammed V in Rabat (gegründet 1957); daneben fachlich spezialisierte Hochschulen.

W I R T S C H A F T · V E R K E H R

Die wichtigsten Bereiche sind Landwirtschaft, Phosphatbergbau und Tourismus. Die Landwirtschaft, die über 40 % der Erwerbstätigen beschäftigt, erbringt etwa 10 % der Exporterlöse. Für die Eigenversorgung besonders Anbau (z. T. mit Bewässerung) von Getreide, Oliven, Obst, Kartoffeln, Zuckerrüben und -rohr; für den Export Zitrusfrüchte, Gemüse, Wein. Anbau von Alfagras als Rohstoff zur Papiererzeugung und für Flechtwerk. In der Viehwirtschaft besonders Rinder- (Milcherzeugung), Schaf-, Ziegen- und Geflügelhaltung; Fischerei sehr ertragreich an der Atlantikküste (200-Seemeilen-Zone). Die Forstwirtschaft nutzt etwa 7 % der Landesfläche, besonders Anbau von Korkeichen (Marokko zählt zu den größten Korkproduzenten der Welt). Reiche Bodenschätze; gefördert werden v. a. Phosphate (3. Stelle der Welterzeugung; etwa drei Viertel der bekannten Weltreserven), Blei-, Mangan-, Zink-, Kobalt-, Kupfer- und Eisenerze sowie Steinkohle, Erdöl, Erdgas. Die wichtigsten Industriezweige sind neben Bergbau Metall- und Kunststoffverarbeitung, chemische, Nahrungsmittel-, Textil-, Lederindustrie. Das traditionelle Handwerk (z. B. Teppichherstellung) ist rückläufig. Ausgeführt werden v. a. Ausrüstungs- und Konsumgüter, Nahrungsmittel (v. a. Meeresfrüchte, Fischkonserven), Phosphate und dessen Verarbeitungsprodukte; eingeführt werden Maschinen, Fahrzeuge, Industriegüter, Brennstoffe und Nahrungsmittel. Haupthandelspartner sind Frankreich, Spanien, Italien, Großbritannien und Nordirland sowie Deutschland. Der Fremdenverkehr erbringt ein Drittel der Devisenerlöse. Reiseziele sind u. a. antike Ruinenstätten, die vier Königsstädte Rabat, Fès, Marrakesch und Meknès, die Oasen der Sahara und die Sandstrände am Atlantik (v. a. Agadir).

Das Verkehrsnetz umfasst 1 907 km Eisenbahnlinien (davon 1 003 km elektrifiziert) und rd. 57 800 km Straßen (davon rd. 56 % befestigt). Haupthäfen liegen an der Atlantikküste: Casablanca, Mohammedia, Jorf Lasfar (Phosphatexport), Safi, Agadir, Tanger u. a. Wichtigster der über zehn internationalen Flughäfen ist Casablanca, während Agadir, Marrakesch und Tanger v. a. für den Tourismus von Bedeutung sind.

G E S C H I C H T E

Das von selbstständigen Berberstämmen bewohnte heutige Marokko kam 42 n. Chr. zur römischen Provinz Mauretania Tingitana. Im 5. Jahrhundert eroberten die Wandalen das Gebiet, im 6. Jahrhundert Byzanz, um 700 die Araber. 789 begründete Idris I. die Herrschaft der Idrisiden mit Fès als Residenz. Später vereinigten die Dynastien der Almoraviden (1061–1147), die als neue Hauptstadt Marrakesch gründeten, und der Almohaden (1147–1269) Marokko und die südliche Pyrenäenhalbinsel unter ihrer Herrschaft. 1269 eroberten die berberischen Meriniden Marrakesch. 1554 kamen die Saaditen an die Macht, denen 1666 die noch heute herrschenden Hasaniden folgten. Im 18. Jahrhundert wurden verstärkt wirtschaftliche und politische Beziehungen zu Europa aufgenommen. Mitte des 19. Jahrhunderts kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit Spanien; Ende des 19. Jahrhunderts konnte Frankreich seine Vorherrschaft festigen. 1912 wurde Marokko französisches Protektorat, Spanien erhielt das Rifgebiet (zum Konflikt mit Deutschland Marokkokrisen). 1956 erlangte Marokko seine Unabhängigkeit als Königreich unter Mohammed V., 1961–99 regierte sein Sohn Hasan II., ihm folgte 1999 sein Sohn als Mohammed VI. Zu Konflikten mit Algerien und Mauretanien kam es 1975/76, als die Spanische Sahara entkolonialisiert wurde. Diese wurde 1976 zwischen Mauretanien und Marokko aufgeteilt, wobei Marokko sich 1979, nachdem Mauretanien der POLISARIO gegenüber auf seinen Teil der Westsahara verzichtet hatte, auch diesen eingliederte. Dadurch ausgelöste Auseinandersetzungen zwischen marokkanischen Truppen und POLISARIO dauerten bis 1991 an. Die UN vermittelten einen Waffenstillstand und schlugen nach langwierigen Vermittlungen 1997 die Durchführung einer Volksabstimmung über die Unabhängigkeit von Westsahara vor; der geplante Termin (1998) konnte wegen der umstrittenen Wählerregistrierung nicht eingehalten werden.

Innenpolitische Gegensätze (u. a. blutige Niederwerfung des Generalstreiks 1981) verschärften sich besonders seit 1990 und führten zu einer Verweigerungshaltung der oppositionellen Parteien. Die durch die Verfassungsrevision 1996 signalisierte Demokratiebereitschaft der Regierung bewog die Opposition zur Bildung eines Wahlbündnisses und Teilnahme an den Kommunal- und Parlamentswahlen 1997, zu denen erstmals auch gemäßigt islamistische Parteien zugelassen waren. Das Wählerbündnis »Koutla« setzte sich sowohl in den Kommunal- als auch in den Parlamentswahlen vor dem Regierungsbündnis »Wifak« durch; Ministerpräsident wurde 1998 A. Youssoufi (USFP). Mit der Konstituierung des Oberhauses wurde im Dezember 1997 die Bildung des Zweikammersystems abgeschlossen. Nach dem Tod von Hasan II. (23. 7. 1999) wurde sein ältester Sohn als Mohammed VI. gekrönt, der die seit Mitte der 1990er-Jahre eingeleiteten wirtschaftlichen und demokratischen Reformen (u. a. Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union 1996) sowie den Wechsel zu einer modernen Monarchie intensivierte. Nach den Parlamentswahlen 2002, bei denen die islamistische Partei hohe Stimmenzuwächse erzielte, aus denen die sozialistischen Parteien jedoch wiederum als stärkste Kraft hervorgingen, wurde Driss Jettou (parteilos) zum neuen Ministerpräsidenten ernannt. Zu einem Konflikt mit Spanien kam es 2001 nach gescheiterten Fischereiverhandlungen sowie 2002 nach der zeitweisen Besetzung der spanischen Insel Perejil (Petersilien-Insel) durch marokkanische Truppen. Zur Klärung von strittigen Punkten zwischen Spanien und Marokko (unter anderem Fischfangrechte, illegale Migration, Drogenhandel, Westsaharakonflikt) wurden 2003 bilaterale Arbeitsgruppen eingerichtet. Ein besonderes Problem sind dabei die afrikanischen Migranten, die über Marokko (z. T. über die spanischen Enklaven Ceuta und Melilla) nach Europa gelangen. – Eine Serie von Selbstmordanschlägen islamistischer Fundamentalisten auf jüdische sowie westliche Einrichtungen forderte 2003 in Casablanca mehr als 40 Todesopfer. Daraufhin wandten sich auf der größten Demonstration seit der Unabhängigkeit des Landes mehr als eine Million Menschen gegen den Terrorismus. Gegen radikale Islamisten (u. a. die »Salafija Dschihadija«) gehen die Sicherheitskräfte seitdem mit verstärkter Härte vor, da König Mohammed VI. die Demokratisierung und Modernisierung Marokkos sowie den Kampf gegen den Terrorismus als gleichwertige Ziele seiner Politik betrachtet. Im Januar 2008 sind 50 Personen wegen der Planung von Terroranschlägen (u. a. 2003 in Casablanca) mit bis zu 25 Jahren Haft verurteilt worden.

Im November 2005 legte eine »Kommission für Gerechtigkeit und Versöhnung« einen Bericht vor, der u. a. politische Morde und Gewalttaten sowie Verletzungen der Menschenrechte 1956–99 dokumentiert; damit soll eine wesentliche Zeitspanne der Geschichte Marokkos, die hauptsächlich von König Hasan II. geprägt wurde, aufgearbeitet werden. Mohammed VI. kündigte im Januar 2006 an, bestimmte Empfehlungen des vorgelegten Berichtes (u. a. Änderungen der Verfassung) umzusetzen.

Bei den Parlamentswahlen vom 7. 9. 2007 ging der Parti Istiklal (PI, deutsch Unabhängigkeitspartei) als stärkste Fraktion innerhalb des von zahlreichen Parteien geprägten Parlaments hervor. Der PI kündigte daraufhin an, die seit 2002 bestehende Koalition mit der USFP (Union Socialiste des Forces Populaires, deutsch Soziale Union der Volkskräfte), die bislang die stärkste Parlamentsfraktion bildete, sowie mit anderen kleineren Parteien fortzusetzen. Am 19. 9. 2007 wurde der Führer der PI, Abbas el Fassi, zum neuen Ministerpräsidenten ernannt.


Sekundärliteratur: K. Müller-Hohenstein u. H. Popp: Marokko. Ein islamisches Entwicklungsland mit kolonialer Vergangenheit (1990); Marokko. Landschaft, Kultur, Geschichte, bearbeitet v. F. Casule u. a. (aus dem Italienischen, Zürich 1993); Wolfgang Müller u. M. Kusserow: Marokko. Spurensuche im Land zwischen Orient u. Okzident (2003); E. u. A. Därr: Marokko (102004).

Weiterführende Artikel aus dem Archiv der Wochenzeitung DIE ZEIT