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Meyers Großes Taschenlexikon in 24 Bänden plus CD-ROM
ISBN 978-3-411-10060-6
149,00 € [D]

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Aserbaidschan (Aserbaidschan)

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Aserbaidschan,

Fläche 86 600 km2
Einwohner (2005) 8,4 Mio.
Hauptstadt Baku
Verwaltungsgliederung 65 Landkreise und 11 kreisfreie Städte
Amtsprache Aserbaidschanisch (Aseri)
Nationalfeiertag 28. 5.
Währung 1 Aserbaidschan-Manat (A. M.) = 100 Gepik (G)
Zeitzone MEZ + 3 Stunden

amtl. aserbaidschanisch AzBild:Easerbai.gifrbaycan Respublikası, deutsch Aserbaidschanische Republik, Staat in Transkaukasien, in Südwestasien, grenzt im Nordwesten an Georgien, im Norden an Russland, im Osten an das Kaspische Meer, im Süden an den Iran und die Türkei sowie im Westen an Armenien. Zu Aserbaidschan gehört als territoriale Exklave (durch armenisches Gebiet getrennt) die Autonome Republik Nachitschewan (aserbaidschanisch Naxçıvan). Innerhalb Aserbaidschans liegt das separatistische, von Armenien beanspruchte Gebiet Bergkarabach.

Inhaltsverzeichnis

S T A A T · R E C H T

Nach der am 12. 11. 1995 per Referendum verabschiedeten Verfassung (2002 novelliert) ist Aserbaidschan eine Republik mit Präsidialsystem. Staatsoberhaupt mit weitgehenden exekutiven Vollmachten ist der auf 5 Jahre direkt gewählte Präsident (einmalige unmittelbare Wiederwahl zulässig). Er ernennt und entlässt die Regierung unter Vorsitz des Ministerpräsidenten und verfügt über das Recht auf Gesetzesinitiative. Die Legislative liegt beim Einkammerparlament (125 Abgeordnete, für 5 Jahre nach Mehrheitswahlrecht gewählt). Das Mehrparteiensystem wird u. a. von der Partei Neues Aserbaidschan (YAP), der Gleichheitspartei (MP), der Volksfront‐Partei Aserbaidschans (AXCP), der Partei der Bürgersolidarität (VHP) und der Mutterlandspartei (AVP) repräsentiert.

L A N D E S N A T U R · B E V Ö L K E R U N G

Landesnatur:

Aserbaidschan liegt im östlichen Teil Transkaukasiens; es erstreckt sich vom Großen Kaukasus im Norden bis ins Ararathochland im Südwesten und zur Küste des Kaspischen Meeres im Osten. Im Kernland breitet sich die Kura-Arax-Ebene aus, die größtenteils unter 200 m über dem Meeresspiegel, im östlichen Teil unter dem Meeresniveau liegt. Im Norden umfasst Aserbaidschan den östlichen Haupt- und Seitenkamm des Großen Kaukasus (bis 4 466 m über dem Meeresspiegel) sowie Teile des Kleinen Kaukasus mit dem vulkanischen Hochland von Karabach. Im Nordosten gehen die Hochgebirgsketten des Großen Kaukasus in niedrige Gebirgsrücken über, die auf der Halbinsel Apscheron in das Kaspische Meer ragen. Das Tiefland von Lenkoran als südlichste Küstenzone der Kura-Arax-Ebene wird vom Talyschgebirge begrenzt, das bis in den Iran hineinreicht. Der größte Strom ist die Kura; Arax und Alasani sind ihre wichtigsten Nebenflüsse. In der subtropischen Zone gelegen, zeigt das Klima starke reliefbedingte Unterschiede. Halbwüsten- und Steppenklima herrscht in den Niederungen (Julimittel 25–27 °C, Januarmittel 0–3 °C, 200–300 mm Jahresniederschlag) vor, subtropisch feuchtes im Tiefland von Lenkoran (Julimittel 27 °C, Januarmittel 6 °C, 1 100–1 800 mm Jahresniederschlag). Besonders niederschlagsarm ist die Halbinsel Apscheron. Eichen-, Buchen-, Kastanienwälder und Strauchformationen bedecken rund 11 % der Fläche. In der Kura-Arax-Ebene breiten sich Halbwüsten, stellenweise auch Wüsten aus.

Bevölkerung:

Nach der Volkszählung von 1999 waren von den Bewohnern 90,6 % Aserbaidschaner (Aseri), 2,2 % Lesginen, 1,8 % Russen, 1,5 % Armenier sowie 3,9 % weitere ethnische Gruppen (Ukrainer, Georgier, Tataren u. a.). Viele Armenier (1989 noch 5,6 %) sind wegen der kriegerischen Konflikte zwischen Aserbaidschan und Armenien ausgewandert; der größte Teil der heute in Aserbaidschan lebenden Armenier siedelt im Gebiet Bergkarabach. Der Anteil der Stadtbevölkerung lag 2002 bei rd. 50 %. Die mittlere Bevölkerungsdichte beträgt 99 Einwohner/km2. Am dichtesten ist die Halbinsel Apscheron, v. a. die Region um Baku (115–300 Einwohner/km2), besiedelt. Höhere Bevölkerungsdichten weisen auch das Tiefland von Lenkoran, die Industriegebiete der Kura-Arax-Ebene und die Vorgebirgszone von Großem und Kleinem Kaukasus auf. Dagegen sind die Gebirge nur sehr gering bevölkert. Rund 88 % der Bevölkerung sind Muslime (rund 62 % Schiiten [Imamiten und Ismailiten], rund 26 % Sunniten der hanefitischen Rechtsschule). Es besteht allgemeine Schulpflicht im Alter von 6 bis 15 Jahren; die Alphabetisierungsrate beträgt 99 % bei sinkender Einschulungsrate; staatliche Universität (gegründet 1919) in Baku sowie rd. 50 weitere Hochschuleinrichtungen.

W I R T S C H A F T · V E R K E H R

Bereits zu sowjetischer Zeit war die aserbaidschanische Wirtschaft einseitig auf die Bereitstellung von Grundstoffen, v. a. Erdöl, ausgerichtet. Mit der staatlichen Unabhängigkeit 1991 begann eine marktwirtschaftlich orientierte ökonomische Transformation. Der Krieg mit Armenien verschärfte die wirtschaftliche Situation während der 1990er-Jahre. Der wichtigste Wirtschaftsbereich ist die in staatlichem Besitz verbliebene Erdöl- und Erdgasförderung, auf der die hohen wirtschaftlichen Wachstumsraten seit 1997 beruhen. Außerhalb des Erdölsektors ist die Wirtschaft insgesamt schwach entwickelt und hinsichtlich ihres Modernisierungsstandes rückständig. Hoch ist der Anteil des informellen Sektors. Die Landwirtschaft erwirtschaftet rd. 14 % des BIP. Etwa die Hälfte des Territoriums wird landwirtschaftlich genutzt, davon entfallen auf Ackerland 1,8 Mio. ha (zu 70 % Bewässerungsflächen) und auf Weideflächen 2,1 Mio. ha, der Rest auf Obst- und Weinbaugebiete, Teeplantagen und Anbauflächen für Spezialkulturen. Neben den fruchtbaren Gebieten in Zentral- und Nordaserbaidschan, wo Getreide, Baumwolle, Wein, Tabak und Maulbeerbäume für die traditionelle Seidenraupenzucht angebaut werden, gehört das Gebiet von Lenkoran zum Anbaugebiet von Reis, Zitrusfrüchten, Safran und Tee. Die Winterweiden im Flachland und Sommerweiden im Gebirge werden für die Viehzucht (Schafe und Rinder) genutzt. – Die wichtigsten Rohstoffe sind Erdöl und Erdgas. Die industrielle Erschließung des qualitativ hochwertigen Erdöls begann 1871, Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Region um Baku zum weltweit bedeutendsten Zentrum der Ölindustrie. Heute befinden sich die Fördergebiete v. a. auf der Halbinsel Apscheron und im Offshorebereich. Erdgas wird auch in der Kura-Arax-Ebene gewonnen. 1994 schloss die aserbaidschanische Regierung den »Jahrhundertvertrag« zwischen der nationalen Erdölgesellschaft und einem Konsortium international tätiger Ölunternehmen über neue Erschließungs- und Förderaktivitäten zur Ausbeutung von Öl- und Gasfeldern im aserbaidschanischen Sektor des Kaspischen Meeres ab. Weiterhin verfügt Aserbaidschan über Vorkommen von Eisen-, Kupfer-, Molybdän- und Baryterzen, Gold, Alunit, Marmor, Schwefelkies und Steinsalz. Fossile Energieträger (Wärmekraftwerke auf der Basis von Heizöl und Erdgas) tragen zu 90 % zur Energieerzeugung bei, Wasserkraft zu 10 %. – Ein Großteil der Industrie konzentriert sich auf der Halbinsel Apscheron mit der Agglomeration Baku–Sumgait, in der Erdölförderung und -verarbeitung sowie Petrochemie und Anlagenbau (für die Ölförderung) bestimmend sind. Weitere Industriebranchen sind Eisen- und Buntmetallurgie, Aluminiumherstellung, Metall verarbeitende, chemische, Textil- (darunter traditionelle Seiden- und Teppichweberei) sowie Nahrungsmittelindustrie. – Auf Erdöl und Ölprodukte entfallen über 80 % des Exports, weitere Exportgüter sind Textilwaren, Agrar- und Chemieprodukte, importiert werden v. a. Produkte der verarbeitenden Industrie, Konsumgüter und Nahrungsmittel. Die wichtigsten Handelspartner sind die EU-Staaten als Abnehmer des Erdöls, Russland, die Türkei und Kasachstan. – Das Eisenbahnnetz hat eine Streckenlänge von 2 070 km, das Straßennetz umfasst rund 24 300 km. Von Baku, in dessen Nähe sich der internationale Flughafen befindet, führen Schiffsverbindungen nach Turkmenbaschi (Turkmenistan), Aktau (Kasachstan) und Bender Ansali (Iran). Erdölpipelines verlaufen von Baku zum Erdölterminal Noworossisk (Russland) und von Baku zum Schwarzmeerhafen Supsa (Georgien).

G E S C H I C H T E

Antike bis 19. Jahrhundert: Das historische Gebiet in Vorderasien, westlich des Kaspischen Meeres gelegen, gehört heute mit dem nördlichen Teil zur Republik Aserbaidschan und mit seinem südlichen Teil zur gleichnamigen iranischen Provinz. In der Antike war Aserbaidschan im Wesentlichen unter dem Namen Albania bekannt. 643 wurde es von den Arabern erobert, die den Islam einführten. Im 11. Jahrhundert wanderten türkische Stämme ein; Aserbaidschan kam unter die Herrschaft der Seldschuken und wurde türkisiert. 1120 gerieten Teile von Aserbaidschan unter georgische Herrschaft (bis ins 13. Jahrhundert). 1221/22 und 1235/39 mongolische Invasionen; nach dem Zerfall des mongolischen Großreiches zwischen den Teilreichen der Ilkhane und der Goldenen Horde umkämpft. Unter der persischen Dynastie der Safawiden erlebte Aserbaidschan einen wirtschaftlichen Aufschwung. Nach kurzer Herrschaft der Osmanen eroberte Schah Abbas I., der Große, Aserbaidschan 1603 zurück. Das nördliche Aserbaidschan fiel 1828 an Russland.

Sowjetrepublik bis Unabhängigkeit: 1918 errichteten bolschewistische Kräfte im russischen Teil von Aserbaidschan zunächst eine Rätemacht (Bakuer Kommune), gegen die sich mit türkischer Hilfe im Sommer 1918 die von einem »Muslimischen Nationalrat« am 28. 5. 1918 in Tiflis proklamierte »Aserbaidschanische Republik« durchsetzte. Nach Besetzung durch die Rote Armee wurde Aserbaidschan 1920 Sowjetrepublik. Diese bildete 1922–36 zusammen mit Armenien und Georgien die Transkaukasische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik. 1921 wurden Bergkarabach und Naxçıvan administrativ Aserbaidschan unterstellt. Seit 1936 Unionsrepublik der UdSSR, erklärte Aserbaidschan am 30. 8. 1991 seine Unabhängigkeit (am 18. 10. 1991 vom Parlament formal in Kraft gesetzt). Im September 1991 löste sich die KP auf. Im Dezember 1991 schloss sich Aserbaidschan der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) an (1992–93 Aussetzung der Mitgliedschaft) und entwickelte auch enge Beziehungen zur Türkei. 1994 unterzeichnete Aserbaidschan das NATO-Dokument »Partnerschaft für den Frieden«, 1996 ein Kooperationsabkommen mit der EU (in Kraft getreten am 1. 7. 1999).

Der 1988 ausgebrochene Streit zwischen Aserbaidschan und Armenien um das mehrheitlich von Armeniern bewohnte Bergkarabach führte 1990 zur bewaffneten Intervention der sowjetischen Zentralgewalt (etwa 170 Todesopfer in Baku) und 1992 zum militärischen Konflikt zwischen den beiden Republiken, in dessen Verlauf etwa 20 % des aserbaidschanischen Territoriums von armenischen Truppen aus Bergkarabach besetzt wurden; 1994 vermittelte Russland einen Waffenstillstand.

Suche nach nationaler Identität: Der Konflikt um Bergkarabach löste in Verbindung mit anderen Problemen (u. a. die bisherige ökonomische Fremdbestimmung und die Kontrolle der im Islam wurzelnden Kultur durch die sowjetische Herrschaft) eine intensive Suche nach nationaler Identität aus, eine facettenreiche Bewegung, die auch zu schweren Auseinandersetzungen zwischen der national orientierten Volksfront Aserbaidschans und der »alten« Machtelite aus sowjetischer Zeit führte. Vor diesem Hintergrund kam es zu häufigen Putschversuchen und Machtwechseln. Nach dem Sturz des seit 1992 amtierenden Präsidenten A. Eltschibej (Volksfront Aserbaidschans) übernahm 1993 Heydar Alijew (u. a. 1969–82 Erster Sekretär des ZK der aserbaidschanischen KP, seit 1992 Vorsitzender der Partei Neues Aserbaidschan) dessen Nachfolge; im Oktober 1998 wurde er durch Wahlen im Amt des Staatspräsidenten bestätigt. Im April 2000 schloss Aserbaidschan mit US-amerikanischen Konzernen Verträge über die Nutzung von Erdölvorkommen im Kaspischen Meer; im November 1999 vereinbarte es mit der Türkei und Georgien die Errichtung einer (Russland und Iran umgehenden) Erdölpipeline von Baku an die türkische Mittelmeerküste (Baubeginn mit Unterstützung der USA im September 2002). Im Januar 2001 wurde Aserbaidschan Mitglied des Europarates.

Die Parlamentswahlen im November 2000 konnte erneut die regierende Partei »Neues Aserbaidschan« für sich entscheiden, zugleich nahm der Druck auf die Opposition weiter zu, internationale Wahlbeobachter kritisierten Wahlfälschungen (Wahlwiederholung in einigen Wahlkreisen im Januar 2001). Der autoritär regierende Präsident Alijew hatte seit Ende der 1990er-Jahre seinen Sohn I. Alijew systematisch zu seinem Nachfolger aufgebaut. Im August 2003 wurde er (auf Empfehlung seines Vaters, der sich wegen schwerer Erkrankung ins Ausland begeben hatte und im Dezember 2003 in den USA starb) vom Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt. Mit dem Sieg I. Alijews bei den umstrittenen Präsidentschaftswahlen im Oktober 2003 erfolgte zum ersten Mal in einem postsowjetischen Staat die politische Erbfolge im höchsten Amt einer Präsidialrepublik. Die nachfolgenden Massenproteste wurden unterdrückt (Verhaftung zahlreicher Oppositioneller). Dem Versuch einer Machtkonsolidierung des neuen Präsidenten dienten der Ausbau des Polizeiregimes und die weitere vorsichtige Annäherung an Russland, das zum Ziel einer starken Arbeitsmigration aus Aserbaidschan wurde. Zunehmende innenpolitische Stagnation, ausbleibende Wirtschafts- und Rechtsreformen in dem von enormer Korruption betroffenen Land und die Schwächung des politischen Einflusses der offiziellen Opposition ließen im Untergrund auch islamisch motivierten Widerstand anwachsen. Mit der Entlassung und Verhaftung mehrerer Minister und hochrangiger Funktionäre unter dem Vorwurf der Vorbereitung eines Staatsstreiches im Oktober 2005 suchte Präsident Alijew seine innenpolitische Position weiter zu stärken. Bei den (erneut von der Opposition und internationalen Beobachtern kritisierten) Parlamentswahlen am 6. 11. 2005 sicherte sich die Regierungspartei »Neues Aserbaidschan« 58 der 125 Sitze; an die Opposition gingen nur 10 Mandate, die übrigen an unabhängige beziehungsweise regierungsnahe Kandidaten. Gegen den Wahlausgang und die Regierung richteten sich wochenlange Proteste (in Anlehnung an das ukrainische Beispiel mit orangefarbenen Fahnen und Transparenten) der Opposition.

Sekundärliteratur: H. Bischof: Regimewechsel in Aserbaidschan und der Krieg um Berg-Karabach (1992); S. Hanke: Aserbaidschans Weg zur Marktwirtschaft (1998); R. Kaufmann: Kaukasus. Georgien, Armenien, Aserbaidschan (2000); J. Rau: Der Nagorny-Karabach-Konflikt. 1988–2002 (2003); K. Beutel: Ölpolitik in Aserbaidschan. Politische u. wirtschaftliche Geschichte nach dem Zusammenbruch der UdSSR (2004).

Weiterführende Artikel aus dem Archiv der Wochenzeitung DIE ZEIT

  • Für ein Bündel Bares (46/2003)
  • Ab nach Aserbaidschan? (14/2008)
    Von Afrika in den Kaukasus? Keine 50 Tage nach seinem Rücktritt als Nationalcoach Nigerias hat Berti Vogts offenbar eine neue Aufgabe gefunden
  • Von Hamburg lernen (9/2008)
    Eine Delegation aus Aserbaidschan besucht die Hansestadt, um zu sehen, wie demokratische Wahlen funktionieren.

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