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Meyers Großes Taschenlexikon in 24 Bänden plus CD-ROM
ISBN 978-3-411-10060-6
149,00 € [D]

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Libanon

Flagge, Wappen, Kfz-...
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Machtverhältnisse 19...
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Libanon,

Fläche 10 452 km2
Einwohner (2006) 3,9 Mio.
Hauptstadt Beirut
Verwaltungsgliederung 6 Provinzen
Amtsprache Arabisch
Nationalfeiertag 22. 11.
Währung 1 Libanesisches Pfund (L£) = 100 Piaster (P.L.)
Zeitzone MEZ + 1 Stunde

amtlich arabisch Al-Djumhurijja al-Lubnanijja, deutsch Libanesische Republik, Staat an der Ostküste des Mittelmeeres in Westasien, grenzt im Norden und Osten an Syrien und im Süden an Israel.

Inhaltsverzeichnis

S T A A T · R E C H T

Nach der Verfassung von 1926 (mehrfach, zuletzt 2004, geändert) ist Libanon eine parlamentarische Republik, deren Regierungssystem auf einer Verteilung der Funktionen im Staat unter den Religionsgemeinschaften basiert. Staatspräsident soll stets ein maronitischer Christ, Ministerpräsident ein sunnitischer und Parlamentspräsident ein schiitischer Muslim sein. Staatsoberhaupt ist der vom Parlament auf 6 Jahre gewählte Präsident (keine unmittelbare Wiederwahl möglich; die Amtszeit des derzeitigen Präsidenten wurde 2004 um 3 Jahre verlängert). Er ernennt die Regierung unter Vorsitz des Ministerpräsidenten, die dem Parlament verantwortlich ist. Die Legislative liegt bei der Nationalversammlung (128 Abgeordnete, für 4 Jahre gewählt); die Mandate werden paritätisch zwischen Christen und Muslimen aufgeteilt. Parteien und Bewegungen sind weitgehend konfessionell gebunden; zu den einflussreichsten zählen: die christliche Phalange (Kataib), die überwiegend drusische Progressive Sozialistische Partei (PSP), die schiitische Bewegung Amal, die radikal schiitische Hisbollah, der rechts orientierte Nationale Block, die Nationalliberale Partei (PNL) und die Syrische Sozialistische Nationale Partei (PSNS). Die Forces Libanaises (FL) wurde 1994 aufgelöst.

L A N D E S N A T U R · B E V Ö L K E R U N G

Landesnatur:

Libanon gliedert sich von Westen nach Osten in vier küstenparallele Landschaften: in den schmalen, dicht besiedelten Küstenstreifen, das Libanongebirge, die Beka (die zwischen Libanongebirge und Antilibanon eingebrochene Tiefscholle des Syrischen Grabens) und den Antilibanon. – Der Küstenstreifen mit bewässerten Intensivkulturen ist der Kernraum des Landes. Die Westseite des Libanongebirges erhält genügend Winterregen und wird intensiv bebaut. Die höheren, verkarsteten Bergrücken und Hochflächen sind dürftige Weidegebiete. Nach Osten fällt das Libanongebirge steil zum tektonischen Graben der Beka ab; hier reichen die Niederschläge nur im Südteil für Regenfeldbau. Im Norden werden nur in Bewässerungsoasen reiche Ernten erzielt. Die landwirtschaftliche Nutzung im sehr trockenen Antilibanon beschränkt sich auf Bergfußoasen.

Bevölkerung:

Trotz der gemeinsamen arabischen Sprache bestehen innerhalb der Bevölkerung bedeutende Gegensätzlichkeiten. Die wichtigste Differenzierung der Bevölkerung ist noch heute die nach Religionsgemeinschaften. In der Zeit der Verfassungsgebung bildeten die Christen die Mehrheit; seither hat der Anteil der Muslime durch Einwanderung aus arabischen Nachbarländern und höhere Geburtenziffern stark zugenommen, sodass die Angehörigen nicht christlicher Religionsgemeinschaften – neben sunnitischen und schiitischen Muslimen die Drusen – mittlerweile die Mehrheit bilden. Unter den Christen sind die Maroniten, bei denen seit 1926 auch die politische Führung lag, die größte Gruppe. Über 1 Mio. Libanesen leben im Ausland. Die Zahl der in Libanon registrierten Palästinenser wird mit 395 000 angegeben; sie leben fast alle noch in Lagern. In Städten lebt der Großteil der Bevölkerung; größte Städte sind Beirut, Tripoli, Sahla, Saida. – Nach Schätzungen und kirchlichen Angaben sind rund 60 % der Bevölkerung Muslime (36 % Schiiten, 23 % Sunniten, 1 % Alawiten), rund 34 % Christen (20 % Maroniten, 10 % orthodoxe und orientalische Christen, 4 % Katholiken [besonders Melchiten]), 5–7 % Drusen. – Es besteht allgemeine Schulpflicht im Alter von 6 bis 11 Jahren. Neben kostenfreien staatlichen Schulen bestehen (teilweise subventionierte) schulgeldpflichtige Privatschulen (Anteil ca. 50 %). Die Alphabetisierungsrate liegt (2002) bei 87 %. Es gibt zahlreiche Universitäten und Colleges; die ältesten Universitäten sind die private American University of Beirut (gegründet 1866) und die in Trägerschaft des Jesuitenordens geführte Université Saint Joseph (gegründet 1881) in Beirut; ferner staatliche Université Libanaise (gegründet 1951).

W I R T S C H A F T · V E R K E H R

Bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs (1975) war Libanon trotz seiner Gebirgsnatur einer der dynamischsten und höchstentwickelten Staaten unter den arabischen Ländern. Schon in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts haben sich hier moderne Einflüsse durchsetzen können. Seit Ausbruch des Bürgerkriegs wurde die Wirtschafts- und Infrastruktur weitgehend zerstört, die Inflationsrate stieg. Viele Libanesen wanderten aus; Beirut verlor seine Rolle als wichtigstes Finanz-, Handels- und Dienstleistungszentrum des Nahen Ostens. Erst seit den 1990er-Jahren wuchs die Wirtschaft wieder nennenswert, v. a. aufgrund ausländischer Finanzhilfe. Der Wiederaufbau kam rasch voran. Der Dienstleistungssektor ist wichtigster Wirtschaftsbereich. Mit dem Wiederaufbau des Hafens und des Stadtzentrums von Beirut und der Reparatur der Telekommunikationssysteme erlangt Libanon allmählich wieder seine frühere Position. Großhandel und Firmenrepräsentanzen kehren aus Athen, Amman und Zypern zurück. 2006 führten aber die israelischen Luftangriffe zu starken Beschädigungen und Zerstörungen v. a. der südlichen Stadtteile und Vororte von Beirut, der südlichen Landesteile sowie der gesamten libanesischen Infrastruktur. - Fast der gesamte Industriesektor ist privatisiert (Textil-, Nahrungsmittel- und Holzindustrie). Libanon verfügt nur über geringe Bodenschätze. Die Raffinerien in Tripoli und Saida verarbeiteten Erdöl aus Saudi-Arabien beziehungsweise Irak, sind aber seit Jahren stillgelegt. Etwa die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche liegt in der Beka. Bedeutend ist der Obstbau (Küstenebene, Berghänge) mit seiner Spezialisierung auf Zitrusfrüchte, Tafeläpfel, Weintrauben. Die agrarische Produktion kann aber nur ein Drittel des einheimischen Bedarfs decken. Der Tourismus, bis 1975 einer der Hauptwirtschaftszweige, war fast völlig zum Erliegen gekommen, erlangte aber allmählich bis zur israelischen Militäroperation 2006 seine frühere Bedeutung zurück.

Die Eisenbahnlinie (205 km) entlang der Küste ist seit dem Bürgerkrieg stillgelegt. Das gut ausgebaute Straßennetz ist 7 000 km lang, wurde aber wie die gesamte Infrastruktur bei den Kriegshandlungen 2006 z. T. erheblich beschädigt. 1992 nahm der Hafen von Beirut seinen Betrieb wieder auf; internationaler Flughafen von Beirut ist Al-Chalda.

G E S C H I C H T E

Altertum bis Mitte 20. Jahrhundert: Im Altertum war Libanon Schwerpunkt Phönikiens. Seit 64 v. Chr. zur römischen Provinz Syria, dann zum Byzantinischen, im 6. Jahrhundert zum Persischen Reich, 7.–9. Jahrhundert zum arabischen Kalifat, 9.–11. Jahrhundert unter ägyptischen muslimischen Dynastien. 1516–1918 unter osmanischer Herrschaft; 1864 auf Betreiben Frankreichs Einsetzung eines christlichen Gouverneurs; 1918 zusammen mit Syrien französisches Völkerbundmandat. 1920 schuf Frankreich das Gebiet Libanon in seinen heutigen Grenzen, mit einer geringen Mehrheit christlicher Einwohner. Nach Besetzung durch alliierte Truppen 1941 Unabhängigkeitserklärung, erst 1944 jedoch Aufhebung des Mandats und 1946 Räumung. Am 1. Israelisch-Arabischen Krieg 1948/49 nur nominell beteiligt, musste Libanon zahlreiche Palästinaflüchtlinge aufnehmen. Zunehmender arabischer Nationalismus verstärkte in der Folgezeit die Spannungen zwischen prowestlichen Christen (Maroniten) und arabisch-nationalistischen Muslimen. Auf Ersuchen von Staatspräsident C. N. Chamoun (1952–58) intervenierten 1958 Truppen der USA in Libanon (1. Bürgerkrieg). Zunehmende Guerillatätigkeit der Palästinenser von libanesischem Gebiet aus bewirkte israelische Vergeltungsschläge. Die Palästinenser erhielten 1969 einen exterritorialen Status.

Bürgerkrieg: Mit dem Ausbruch schwerer Kämpfe zwischen christlichen Milizen (zusammengeschlossen in den »Libanesischen Streitkräften« [FL]) und muslimisch-drusischen Formationen (v. a. PLO-Freischärler) v. a. in Südlibanon begann im April 1975 ein 2. Bürgerkrieg, der sich immer mehr mit dem Nahostkonflikt verband. Ab April 1976 griffen syrische Truppen im Norden (Beirut) ein, ab Oktober 1976 im Rahmen einer arabischen Abschreckungsstreitmacht. Von März bis Juli 1978 besetzten israelische Streitkräfte zeitweilig Südlibanon. Im März 1978 wurde eine UN-Friedenstruppe eingesetzt, die jedoch die immer wieder aufflammenden Kämpfe nicht unterbinden konnte. Im Februar 1980 zogen die syrischen Truppen aus Beirut ab. Im Sommer 1982 vertrieben israelische Truppen die PLO und ihre militärischen Einheiten gewaltsam aus Beirut. Der zum Staatspräsidenten gewählte Führer der christlichen Milizen, B. Gemayel, wurde am 14. 9. 1982 ermordet; daraufhin besetzten israelische Truppen das von der PLO geräumte Westbeirut. Präsident A. Gemayel (1982–88) beugte sich dem wachsenden Einfluss Syriens. In das durch den Rückzug Israels bis Juni 1985 (bis auf eine schmale Sicherheitszone im Süden) entstandene Machtvakuum drängten neben den christlichen Milizen rivalisierende islamische Milizen, die schiitische prosyrische Amal-Miliz und die proiranische Hisbollah. In der Sicherheitszone bildete sich 1984 eine mehrheitlich christliche, proisraelische »Südlibanesische Armee« (SLA; aufgelöst Mai 2000). Im Februar 1987 rückten syrische Truppen in Westbeirut ein. Ende September 1988 übergab A. Gemayel sein Amt provisorisch an den (christlichen) Oberbefehlshaber der (offiziellen) libanesischen Armee, General Michel Aoun (* 1935). Da dieser den Friedensplan von Taif (Oktober 1989) nicht anerkannte und den von Teilen des Parlaments im November 1989 gewählten neuen Präsidenten Elias Hrawi (* 1926) ablehnte, kam es ab Januar 1990 zu den schwersten Kämpfen seit 1975 zwischen den christlichen Milizen und den christlichen Armeeverbänden unter Aoun. Unter Druck Syriens kapitulierte Aoun schließlich im Oktober 1990 und emigrierte. Mit der Verfassungsreform vom August 1990, dem Friedensschluss der rivalisierenden schiitischen Milizen sowie dem Abzug aller Milizen aus Beirut und Südlibanon im November/Dezember 1990 wurde bis Mai 1991 offiziell der Bürgerkrieg beendet.

Innenpolitik: Durch die Neuernennung von 40 Abgeordneten im Mai 1991 sicherte sich die Regierung unter Ministerpräsident Omar Karamé (* 1934) im Parlament eine prosyrische Mehrheit, die einen syrisch-libanesischen Kooperationsvertrag verabschiedete, der Libanon praktisch zu einem Protektorat Syriens macht (September 1991 verstärkt durch ein libanesisch-syrisches Sicherheitsabkommen). Bis Juli 1991 übernahmen die Truppen der Regierung alle ehemals drusischen und christlichen Stellungen sowie den bisher von der PLO kontrollierten Süden (Entwaffnung der PLO). Nach den Parlamentswahlen von 1992, die wegen der Präsenz syrischer Streitkräfte von den Christen (Maroniten) und Drusen boykottiert wurden, errangen die Schiiten die Mehrheit. Ministerpräsident wurde der Großunternehmer Rafik al-Hariri (* 1944, † 2005). Im September 1993 schlossen Syrien und Libanon mehrere Abkommen über Zusammenarbeit auf handels-, landwirtschafts-, gesundheits- sowie wirtschafts- und sozialpolitischem Gebiet. Differenzen zwischen dem christlich-maronitischen Staatspräsidenten Hrawi, dem sunnitischen Ministerpräsidenten al-Hariri und dem schiitischen Parlamentspräsidenten N. Berri führten häufiger zu innenpolitischen Spannungen. Im Oktober 1995 verlängerte das Parlament die Amtszeit Hrawis um drei Jahre. Bei der Parlamentswahl 1996 setzten sich regierungsnahe Kandidaten durch. Im Oktober 1998 wurde E. Lahoud zum neuen Staatspräsidenten gewählt, der unter dem Hinweis auf Korruption eine neue Regierung von Reformern unter Selim al-Hoss einsetzte (Dezember 1998). Diese brachte das Land aber in noch größere wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Parlamentswahlen vom 27. 8./3. 9. 2000 gewann deshalb das Bündnis um al-Hariri; Amal-Bewegung und Hisbollah waren in einer Listenverbindung »Widerstand und Entwicklung« erfolgreich (v. a. im Süden). Am 23. 10. ernannte Lahoud nach Absprache mit dem Parlament al-Hariri erneut zum Ministerpräsidenten.

Libanesisch-israelischer Konflikt in den 1990er-Jahren: Als Antwort auf antiisraelische militärische Aktionen besonders der Hisbollah, der Hamas und palästinensischer Freischärler unternahm Israel seit 1991 wiederholt militärische Vorstöße in den südlichen Libanon. Wiederholte Raketenangriffe der Hisbollah auf Grenzgebiete im Norden Israels führten 1996 zu schweren Kampfhandlungen und einer Seeblockade der Häfen im Süden Libanons; zum ersten Mal seit 1982 griff die israelische Luftwaffe 1996 wieder Ziele in Beirut an. Bis 1999/2000 kam es deshalb wiederholt zu heftigen Kämpfen. Im Mai 2000 erfolgte der vorfristige, vollständige Rückzug der israelischen Truppen aus der Sicherheitszone gemäß UN-Resolution 425 von 1978, der ursprünglich erst für Sommer 2000 angekündigt war; die SLA wurde aufgelöst, gleichzeitig rückten zunächst Einheiten der Hisbollah in diesem bisher israelisch besetzten Grenzgebiet ein. Ende Juli/Anfang August 2000 wurden dort Einheiten der auf 5 600 Mann aufgestockten UN-Friedenstruppen (UNIFIL) stationiert; einher ging die Übergabe an die Regierung Libanons. Erstmals konnten die Einwohner der früheren Sicherheitszone im September 2000, im zweiten Wahlgang, an einer Wahl in Libanon teilnehmen. Bezüglich einer Reaktivierung des Waffenstillstandsabkommens von 1949, wie zeitweise durch Israel angestrebt, kam zunächst keine Einigung zustande. Bisher ist Libanon nicht bereit, die von Israel geforderten Sicherheitsgarantien zu geben, solange nicht die Einigung zwischen Israel und Syrien (Rückgabe der Golanhöhen, Friedensvertrag) sowie der PLO erfolgt ist.

Entwicklung seit 2000: Im September 2004 beschloss das Parlament – durch eine Verfassungsänderung – die Amtszeit von Staatspräsident Lahoud um drei Jahre zu verlängern. Differenzen zwischen diesem und Ministerpräsident al-Hariri veranlassten den Regierungschef wenig später zum Rücktritt; ihm folgte im Oktober O. Karamé (bereits 1990–92 Ministerpräsident) im Amt, der eine als prosyrisch geltende Regierung – ohne Beteiligung der drusischen und christlichen Opposition – bildete. Gleichzeitig verstärkte sich die internationale Kritik an der von Syrien geübten Einflussnahme auf die libanesische Politik und an der syrischen Militärpräsenz im Land. Im September 2004 wurde eine UN-Resolution verabschiedet, die die Forderung nach Wiederherstellung der vollständigen Souveränität Libanons sowie nach Entwaffnung bzw. Auflösung der Milizen (v. a. der Hisbollah-Milizen) im Land enthielt; im folgenden Monat beschloss der UN-Sicherheitsrat die Überwachung v. a. der geforderten Reduzierung der syrischen Truppen. Bei einem Bombenattentat am 14. 2. 2005 wurden der ehemalige Ministerpräsident al-Hariri sowie zahlreiche weitere Personen getötet. Begleitet von Großdemonstrationen in Beirut wies die antisyrische Opposition, der sich al-Hariri zuvor angenähert hatte, die Verantwortung für die Mordaktion der Besatzungsmacht zu. Im März 2005 begann der Abzug der in Libanon stationierten syrischen Truppen (Ende April abgeschlossen). Unter dem Druck der anhaltenden Proteste v. a. gegen die als prosyrisch geltende Regierung (u. a. Rücktritt von Ministerpräsident Karamé im April) kam es im Mai/Juni 2005 zu Neuwahlen. Aus diesen ging das um den Sohn des ermordeten R. al-Hariri, Saad al-Hariri (* 1970), gebildete antisyrische Bündnis als Sieger hervor und stellte mit Fouad Siniora (* 1943) den Regierungschef. Erstmals beteiligte sich auch die Hisbollah an der Regierung, einer Entwaffnung ihrer den Süden des Landes kontrollierenden Milizen gemäß der UN-Resolution 1559 widersetzte sie sich jedoch.

Mit der Entführung von zwei israelischen Soldaten am 12. 7. 2006 provozierte die Hisbollah eine unmittelbar folgende Militäroperation Israels: Luftangriffe richteten sich gegen Stellungen der Hisbollah in Beirut und in Südlibanon, aber auch gegen die Infrastruktur des Landes, um Waffen-Nachschub für die Milizen zu unterbinden. Die Angriffe forderten auch mehrere Hundert zivile Opfer und lösten eine Massenflucht aus. Gleichzeitig beschossen Hisbollah-Milizen Ziele in Nordisrael und v. a. die Hafenstadt Haifa intensiv mit Raketen (zahlreiche Todesopfer). Durch eine Bodenoffensive in Südlibanon suchten israelische Truppen die Hisbollah zurückzudrängen. Am 11. 8. 2006 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1701, die v. a. mit ihrer Forderung nach einem am 14. 8. beginnenden Waffenstillstand von den Konfliktparteien akzeptiert wurde; daneben sah die Resolution insbesondere den Abzug des israelischen Militärs sowie die Aufstockung der UNIFIL-Truppen von 2 000 auf 15 000 Mann vor. Die Hisbollah wurde zur Freilassung der entführten israelischen Soldaten aufgefordert. Die zu Beginn der Kriegshandlungen von Israel über Libanon verhängte Luft- und Seeblockade wurde im September aufgehoben. UN-Angaben bezifferten die schweren Infrastrukturschäden auf etwa 3,6 Mrd. US-$; darüber hinaus führte die israelische Bombardierung von Treibstofftanks an der Mittelmeerküste zu einer Umweltkatastrophe.

Nachdem Regierungschef Siniora sich geweigert hatte, die Anzahl der schiitischen Minister zu erhöhen und damit eine Sperrminorität einzuräumen, erklärten Hisbollah und Amal ihren Rückzug aus dem Kabinett; fortan bestritten sie die Legitimität der Regierung und forderten Neuwahlen. Die innenpolitische Krise verschärfte sich, als am 21. 11. der Industrieminister und Führer der Phalange-Partei Pierre Gemayel (*1972) ermordet wurde. Den dadurch hervorgerufenen antisyrischen Protesten folgten im Dezember 2006 von der Hisbollah angeführte Massendemonstrationen prosyrischer Kräfte gegen die Regierung.

Ende Mai 2007 beschloss der UN‐Sicherheitsrat gegen den Protest Syriens die Einrichtung des internationalen Tribunals zur Klärung der Hintergründe des Attentats auf R. al-Hariri.

Seit dem Ende der Amtszeit von E. Lahoud am 23. 11. 2007 ist das Präsidentenamt vakant; mehrfach wurde eine Neuwahl aufgeschoben.

Sekundärliteratur: T. Hanf: Koexistenz im Krieg. Staatszerfall u. Entstehen einer Nation im Libanon (1990); O. Schnittger: Der Libanon im Kreuzfeuer. Eine Zeittafel (1993); V. Perthes: Der Libanon nach dem Bürgerkrieg. Von Ta'if zum gesellschaftlichen Konsens? (Neuausgabe 1994); M. Obert: Libanon. Kunst u. Kultur (2000); A. Havemann: Geschichte u. Geschichtsschreibung im Libanon des 19. u. 20. Jahrhunderts (2002).

Weiterführende Artikel aus dem Archiv der Wochenzeitung DIE ZEIT

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