Im nächsten Vorwärts-Heft will Parteichef Kurt Beck seine "persönliche Darstellung unserer diesbezüglichen Politik" bringen - und zwar eins zu eins.
Foto: AP
|
|
Der SPD-Parteivorsitzende Kurt Beck hat in diesen Tagen wenig Grund, sich an Medien zu erfreuen, aber was zu viel ist, ist zu viel. "Völlig inakzeptabel", "in der reißerischen Manier der Sensationspresse" verfasst, "bedaure ich außerordentlich" - so vernichtend fiel sein Urteil nach Lektüre einer Titelgeschichte über Altenpflege in Deutschland ("Im Netz der Pflegemafia") aus. "Ich distanziere mich von dieser einseitigen Berichterstattung", teilte Leser Beck dem Bundesvorsitzenden der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Wilhelm Schmidt, mit, dessen Einrichtungen mehr als eine halbe Million alter Menschen betreuen. Beck kündigte an, er werde zum Thema schon im "nächsten Heft meine persönliche Darstellung unserer diesbezüglichen Politik" zu Papier bringen, und sein Text werde natürlich auch abgedruckt. Eins zu eins. Beck sagt, wie es wirklich ist, und die Pressebengels spuren. Wo geht das denn noch? Ist der Mainzer Regierungschef nebenher heimlich Chefredakteur? Pflegt er still eine eigene kleine Postille wie "Mainzer Dampfboot" oder zumindest eine Kolumne, in der er als Chef die letzte und natürlich gültige Wahrheit schreiben darf? Nein, er ist nur Parteivorsitzender - und das ist die Lösung. Das Elend der ParteipresseDie von ihm heftig kritisierte Geschichte erschien im Mai in der SPD-Zeitschrift Vorwärts, dem "Monatsblatt für soziale Demokratie". Beck entschuldigte sich bei AWO-Schmidt (Parteispitzname) für diesen "gravierenden Fehler unserer Mitgliederzeitung", und der konnte nach Telefonaten mit der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck seinen AWO-Mitgliedsverbänden mitteilen, das "Ziel" sei "erreicht: Die Vorwärts-Berichterstattung wird auch von der SPD-Spitze nachdrücklich verurteilt, und das wird in geeigneter Form öffentlich gemacht". Der Parteivorsitzende distanziert sich. Ein AWO-Bundesvorsitzender tritt aus Protest vom Vorsitz des Pflegebeirats beim Bundesgesundheitsministeriums zurück und macht Druck - die Redaktion soll parieren, das Blättchen soll auf Kurs sein (wenn es denn in der SPD überhaupt einen Kurs gibt). Der Vorgang ist wieder mal ein Beleg dafür, dass es zwischen Politik und Publizistik einen tiefen Graben geben muss, wenn Meinungsfreiheit herrschen soll. Er zeigt auch das Elend der Parteipresse - selbst, wenn sie vergleichsweise modern und gut gemacht wird. 1929 hatte die SPD noch 203 Zeitungen. Heute besitzt die Medienholding der Partei, die DDVG, noch Anteile (zumeist Minderheitsbeteiligungen) an 17 Zeitungen wie Frankfurter Rundschau oder Neue Westfälische, hat aber (in der Regel) keinerlei Einfluss - was gut ist. Lesen Sie auf Seite 2, wie Chefredakteur Uwe-Karsten Heye reagierte
|