Ein junger Meereskundler schifft sich im Hafen von Brest als Rudergänger auf dem monströs hohen Schlachtschiff "Leviathan" ein. Die Treppe, die in der engen Schlucht zwischen den aufgereihten Kriegsschiffen hinaufführt, reicht nur bis in die unteren Zonen des Schiffsrumpfs - und gibt so eine erste Ahnung von den Höhendimensionen dieses stählernen Massivs. Drinnen im Bauch des Schiffs sind alle humanen Regungen seit langem korrodiert. Aggressive VerschlagenheitEine menschliche Spezies von aggressiver Verschlagenheit versucht sich innerhalb der militärischen Hierarchien Geltung zu verschaffen. Doch nicht die zotendreschenden Matrosen und nicht das sadistisch veranlagte, zynische Offiziers- und Medizinerpack werden auf Dauer zum Problem für unseren Meereskundler, sondern die Unwägbarkeiten des Orts. Schon der erste Gang über den Mittelflur des Schiffs, der die Größe einer Moskauer U-Bahn-Station hat, hat etwas Irritierendes. Die Seekrankheit aber, von der alle Neulinge auf dem Schiff erfasst werden, bringt die Realität richtig ins Wanken. Auf der Flucht vor den heftigen Schwankungen auf den Oberdecks lässt sich unser Held in die abgeschirmten heißen Hallen, Grüfte und Stollen der Maschinenräume hinablocken, wo ein Sklavengeschlecht an den dampfenden Maschinenkolossen vulkanische Arbeit verrichtet, in versteckten Resträumen aber seltsame Individuen ihre Nester eingerichtet haben. Geschichte entgleist nie ins MärchenhafteDamit beginnt eine Folge von verhängnisvollen Abenteuern, deren Details wir hier natürlich nicht verraten wollen. Doch bei aller szenischen Phantastik entgleist die Geschichte nie ins Märchenhafte. Auch der verblüffende Schluss lässt sich einigermaßen realistisch erklären. Gezeichnet sind die Figuren in einem grob karikaturistischen Umrissstil, der jeden Typen auf eine bestimmte Auffälligkeit reduziert. Die Dialoge werden wie in expressionistischen Stummfilmen in extrem gegensätzliche Ansichten aufgelöst. Ständig werden Totalen und Großaufnahmen, Vorder- und Rückansichten, Blicke von steil unten und hoch oben gegeneinander geschnitten. Und wie in expressionistischen Filmen leben alle Zeichnungen zunächst nur vom strengen Schwarz-Weiß-Gegensatz; erst nachträglich wurden sie "viragiert", also wie Filmstreifen mit wenigen, oft schreiend lauten Farben überstrichen. Ja, Blain geht sogar so weit, dass er die Farbgebung anderen Leuten überlässt. Plakativer ZeichenstilSo entstand eine Bilderfolge, an deren plakativen Zeichenstil man sich erst gewöhnen muss. Hat man sich freilich eingelassen auf die Kürzelhaftigkeit der Figuren, wird man rasch hinuntergezogen in gefährliche Tiefen, in die Zonen der Angst. Christophe Blain: Das Getriebe. Reprodukt Verlag Berlin 2008. 76 Seiten, 15 Euro.
|