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Macho hütet gegen Kroatien Österreichs Tor

Guten Tag, Österreich! Zum Hauptartikel

Was ein Team-Mitglied so alles erlebt und tun muss, wenn es endlich einmal bei einer EM dabei sein darf.

Kleine Österreich-Fans mit Irokesen-Mützen. Fans dürfen bereits drei Stunden vor dem Anpfiff ins Stadion. DruckenSendenLeserbrief
Der erste Match-Tag in Österreichs EM-Geschichte. Vom morgendlichen Augenreiben bis zum Sekundentakt unmittelbar vor dem Anpfiff:

9.00 Weckruf im Hotel Holliday Inn Vienna-South auf dem Wienerberg.

10.00 Nach dem Frühstück erfolgt die Abfahrt zum Horrstadion. Austria Wiens Heimstätte ist von der UEFA als Trainingsplatz deklariert. Die Spieler fahren im offiziellen UEFA–Bus, der aus Sicherheitsgründen über Nacht in der Meidlinger Kaserne geparkt war.

10.00 Team-Administrator Werner Germ fehlt im Bus, er ist nämlich bei der Besprechung mit den Sicherheitsleuten und den Schiedsrichtern im Stadion. Dabei werden die Dressen vorgelegt. Es wird auch erklärt wie viele Spieler aufwärmen dürfen.

10.30 Die Teamspieler absolvieren unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein lockeres Training. Aktivierung heißt das im Fachjargon. Der deutsche Bundestrainer Joachim Löw, sagt Anschwitze dazu.

11.30 Rückfahrt ins Hotel. Natürlich wieder mit Polizeieskorte.

13.30 Zeugwart Helmut Legenstein bildet die Vorhut am Ort des Geschehens. Er betritt die Kabine. Schaut, ob alles in Ordnung ist – Getränke, Schuhe, Föhn. Die Leiberl hat er schon am Freitag auf die jeweiligen Plätze gelegt. Denn da durfte er noch ins Stadion. Legenstein muss sich während der EM-Wochen mit zwei Garnituren Gewand beschäftigen. Zwei Tage vor der Partie darf man nämlich keinen der ÖFB-Sponsoren – weder auf der Kleidung der Spieler noch der Betreuer – sehen.

Leichte Kost und Elektrolytgetränke

12.00 Mittagessen. Erlaubt ist selbstverständlich nur leichte Kost, die sich in sechs Stunden im Magen nicht mehr unangenehm bemerkbar macht.

15.00 Eine kleine Jause wird zur Besprechung serviert. Die Spieler nehmen noch einmal Elektrolytgetränke zu sich. Dazu werden Müsli, Vollwertkost und Kraftriegel gereicht. Seit dem Mittagessen haben die Spieler entweder geschlafen oder auf den Zimmern ausgespannt. Der Spiel-Termin (18 Uhr) ist für die österreichischen Gewohnheiten der vergangenen Jahre (Spielzeit meist 20.30 Uhr) sehr früh angesetzt. Zuletzt hat man bei der WM-Qualifikation in Wales am 26. März 2005 bei Tageslicht (Anpfiff 16 Uhr) gespielt. Und übrigens gewonnen.

16.00 Abfahrt zum Stadion. Die ÖFB-Verantwortlichen haben erst um 10 Uhr des Spieltages erfahren, welche Route genommen wird. Und wann ganz genau abgefahren wird.

16.30 Der späteste Zeitpunkt für das Eintreffen im Stadion. Pünktlichkeit muss oberstes Gebot sein. Für jede Minute Verspätung gäbe es von der UEFA drakonische Strafen.

16.45 Die Aufstellung muss beim niederländischen Schiedsrichter Pieter Vink abgegeben werden. Spieler wie Betreuer sind in einer Kabine beim Umziehen. 23 Spieler, die elf Betreuer die auf die Bank dürfen, dazu die Mentalbetreuer Amesberger und Bernatzky. Also tummeln sich insgesamt 36 Personen auf engstem Raum.

Aufwärmen mit Beschallung

17.15 Die Mannschaft betritt zum ersten mal den Rasen und beginnt mit dem Aufwärmen. Zeugwart Legenstein bleibt zurück und drückt erleichtert die Stopp-Taste des Hochdrucklautsprechers. Diesen hat Werner Germ organisiert, damit die Motivationsmusik auch heiß machend rüberkommt. "Eye of the tiger" und "We are the Champions" sollen die Spieler in die richtige Stimmung bringen. Herr Legenstein atmet auf, der Sound hat ihm im Gegensatz zu den Spielern ziemlichen Stress gemacht.

17.45 Die Kabine füllt sich erneut. Die Spieler kommen vom Aufwärmen wieder in den Umkleideraum.

17.47 Teamchef Hickersberger erteilt letzte Anweisungen. Händeklatschen, gegenseitiges aufmunterndes Schulterklopfen.

17.50 40 Turnerinnen und Turner verrenken sich mittlerweile in der Pre-Match-Ceremony. Viereinhalb Minuten Choreografie und buntes Fahnenmeer.

17.53 Zeigt her eure Füße – strenge Kontrollen des Schuhwerks, im konkreten Fall der Stollen. Der Schiedsrichter richtet sein Augenmerk darauf, dass die Stollen vor allem nicht zu spitz sind, um der Verletzungsgefahr vorzubeugen. Vergehen kommen in der Praxis so gut wie nicht mehr vor, da die Schuhe genormte Markenprodukte sind. Die Stollen-Länge beträgt maximal 18 Millimeter. Kein wirkliches Kriterium, denn mit längeren Stollen würde man im Rasen hängen bleiben.

Der große Auftritt

17.54:15 Spieler und Schiedsrichter verlassen den Tunnel und tauchen ins Jubelmeer des mit 50.000 Zuschauern voll besetzten Happel-Stadions. Die Startelf geht mit Kindern an der Hand zum Mittelkreis. Die 12 anderen Kicker und 11 Betreuer gehen zur Ersatzbank. Die Betreuer-Hierachie offenbart sich in der Sitzordnung. Also von links nach rechts: Hickersberger, Persidis, Herzog, Lindenberger, Spry, Schopp, Hartweger, Trattner, Vettorazzi, Legenstein, Germ.

17.55 Abspielen der beiden Hymnen. "Lijepa naša domovino" („Mein liebes Heimatland“) und „Land der Berge, Land am Strome.“ Zweieinhalb Minuten darf die musikalische Ouvertüre höchstens dauern.

17.57:30 Shakehands der beiden Teams. Jeder mit jedem.

17.58 Die Mannschaften formieren sich zum obligaten Mannschaftsfoto. Das verpflichtende Bild-Dokument zu jedem Spiel.

17.59:15 Der Referee nimmt den Matchball entgegen und drückt ihn überprüfend.

17.59:20 Münzwurf zum Zwecke der Seitenwahl. Es gibt keine einheitlichen Münzen für die zwölf Unparteiischen. Einige benützen nur Plastikmünzen mit schwarzer und roter Seite, manche verwenden ihre persönlichen Glücksbringer oder ganz normale EURO-Münzen, die sie vielleicht am nächsten Tag ins Einkaufswagerl stecken. Anschließendes Händeschütteln zwischen Kapitänen und Schiedsrichter-Team.

17.59:58 Der UEFA-Wächter der Pünktlichkeit am Spielfeldrand blickt auf seine Satelliten-Uhr und gibt ein Zeichen.

18.00:00 Herr Vink winkt zurück und bläst in seine Pfeife.

Artikel vom 07.06.2008 17:14 | KURIER | Günther Pavlovics, Bernhard Hanisch

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