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12.06.2008    17:17 Uhr Drucken  |  Versenden  |  Kontakt
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Das "Kursbuch" wird eingestellt

Die Basis verlässt den Überbau

Die altgediente Vierteljahresschrift Kursbuch, Hauspostille der 68er, hat kein Glück mit ihren Verlegern. Schon zum vierten Mal wird der Vertrieb vorübergehend eingestellt.
Von Jens Bisky

Kursbuch-Cover
vergrößern Nr.165 ist die letzte Ausgabe des "Kursbuchs", die auf der Homepage der "Zeit" zu finden ist.
Screenshot: www.zeit.de
 

"Der gläserne Mensch" heißt das jüngste Heft der Zeitschrift Kursbuch, und es sieht so aus, als würde diese Nummer 169 vorerst die letzte sein. Der Holtzbrinck-Verlag beendet die Finanzierung.

Man sehe "keine wirtschaftliche Basis für die Fortführung des Titels", heißt es, aber das vermag nicht recht zu überzeugen. Dass man mit dem Kursbuch nicht reich wird, dass über längere Zeit Zuschüsse erforderlich sein werden, hätten Holtzbrinck und die Zeit wissen können, als sie im Jahr 2005 die Zeitschrift vom Rowohlt-Verlag übernahmen, der ebenfalls zu Holtzbrinck gehört.

Im Sommer 2004 hatte der Verleger Alexander Fest über die geringe Zahl von nur noch 2400 Abonnenten geklagt. Tilman Spengler, der das Kursbuch gemeinsam mit der Literaturkritikerin Ina Hartwig herausgab, konterte damals, ein Verlag, der sich mit diesem Produkt eine goldene Nase verdienen wolle, sei "gewiss der schlechteste Partner".

Es brauche ein Unternehmen, das Mut zu Investitionen habe, wisse, dass die Zahl intelligenter Leute begrenzt sei. Dank Michael Naumann schien alles sich zum Guten zu wenden. Er wurde Mit-Herausgeber, die Zeit übernahm.

Viermal im Jahr sollten 20000 Exemplare zum Preis von zehn Euro ihre Leser finden. Es interessierten sich aber immer weniger für die Hefte.


Seit Hans Magnus Enzensberger 1965 das Kursbuch begründete, hat man die Verlage mehrfach gewechselt: Von Suhrkamp ging’s zu Wagenbach, Rotbuch und 1990 dann zu Rowohlt.

Für die späte Rettung durch die gute alte Tante Zeit musste ein hoher Preis gezahlt werden: Man änderte das Erscheinungsbild. Die Hefte, einst Büchern gleichend, ähnelten nun Magazinen. Genützt hat es wenig, zumal Werbung und Engagement des neuen Verlags zurückhaltend blieben.

Jede Zeitschrift hat ihre Zeit, und das Kursbuch hatte seinen Zenit wohl überschritten und - wie die Achtundsechziger, die hier einst Frantz Fanon, Gisela Elsner, Roland Barthes oder Heiner Müller lesen konnten -, den Ruhestand wohl verdient.

Große Erfolge in der Vergangenheit, zuletzt mit dem Heft über die "Dreißigjährigen", bedeuten für die Gegenwart nicht allzu viel. Der Kulturzeitschriftenliebhaber mag sich mit dem Merkur oder Sinn und Form behelfen, oder beobachten, wie es Ästhetik & Kommunikation gelingt, trotz seiner 38 Jahre frisch zu wirken.

Man mag sich über den Holtzbrinck-Verlag ärgern, der die erforderliche Summe doch wohl aufbringen könnte. Aber ist ein so großes Unternehmen überhaupt die richtige Adresse für eine Zeitschrift, die mit höchstens fünf- bis zehntausend Käufern rechnen kann?

Im ersten Heft des Kursbuchs konstatierte dessen späterer Herausgeber Karl Markus Michel eine "neue Aporie", die "der sprechenden doch sprachlosen Intelligenz". Der stehen heute viele Kanäle offen, Dutzende Organe zur Verfügung.

Es ist für Augenblicke erhebend, von einem kleinen, feinen Blatt abseits des publizistisch-pädagogischen Komplexes zu träumen. Das Kursbuch war diesem am Ende wohl zu sehr verbunden, um noch einzig, dem Leser unentbehrlich zu erscheinen.


(SZ vom 13.06.2008/mst)

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