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Wie Gewalt entsteht

Die UNO schätzt, dass es 300.000 Kindersoldaten gibt. Ein zutiefst beeindruckender Roman erzählt die Geschichte eines von ihnen

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Ganz am Schluss, als alles gut ausgegangen ist, was in diesem Fall sehr relativ zu betrachten ist, hat Agu nur mehr einen Wunsch: "Ich will nur noch glücklich sein in diesem Leben." Man wünscht es ihm von Herzen, aber es ist unvorstellbar, dass Agu jemals wieder gut schlafen wird. Agu war Kindersoldat in einem nicht genannten afrikanischen Land und sein bisheriges, kurzes Leben beschreibt er so: "Ich hab mehr schlimme Sachen gesehn als zehntausend Leute zusammen. Und ich hab mehr schlimme Sachen gemacht, als zwanzigtausend zusammen."

Literarisches Debüt

Diese "schlimmen Sachen" schildert Agu im Rückblick in "Du sollst Bestie sein!", dem beklemmenden, verstörenden, schockierenden Roman von Uzodinma Iweala. Der junge nigerianisch-amerikanische Schriftsteller, der in Harvard studiert, hat für sein Debüt wichtige Literaturpreise bekommen, der Roman wurde von den Kritikern als Sensation gefeiert. Zu Recht, so ein Buch liest man selten. Und dass Agu, der Ich-Erzähler, eine erfundene Figur ist, der eine erfundene Geschichte schildert, ist völlig egal. Denn Iweala ist eine Geschichte von universaler Gültigkeit gelungen: Er macht nachvollziehbar, wie Gewalt entsteht, warum jemand zum Mörder werden kann, welche Mechanismen hinter extremen Gewaltsituationen wirken - ob im afrikanischen Busch oder im Vorstadtghetto in der westlichen Welt.

Erfundene Geschichte

Der reale Hintergrund seines Romans: 300.000 Kinder, schätzt die UNO, sind Kindersoldaten. In letzter Zeit sind einige Biografien von Ex-Kindersoldaten erschienen, die für mediales Aufsehen sorgten - und für (teilweise berechtigte) Zweifel an ihrem Wahrheitsgehalt. Diese Debatte erübrigt sich bei Iwealas fiktiver "Autobiografie". Er weiß trotzdem, worüber er schreibt: Er hat eine ehemalige Kindersoldatin kennengelernt und, von deren Berichten zutiefst erschüttert, bei Forschungsprojekten das Thema gründlich studiert.

Die Hölle des Kriegs

Das Besondere an diesem Roman ist die Sprache: Agu redet in einer direkten, schnoddrigen, von Comic-Ausdrücken (KAWUDD, KATSCHAKK) durchsetzten Kindersprache. Aber kindisch ist sein Ton deshalb nicht, ganz im Gegenteil. Die Sätze treffen einen wie Faustschläge in den Magen. Denn Agu wird zur Killermaschine. Hackt mit seiner Machete - für ein Gewehr ist er noch zu klein - Menschen in Stücke. Springt einem Mädchen auf den Brustkorb, bis nur mehr Blut aus ihrem Mund kommt. Ständig platzen Köpfe, rollen abgehackte Gliedmaßen über die Erde, überall Blut, Schweiß, Erbrochenes, Urin und Kot, Fliegen, Moskitos und hungrige Tiere. Die Hölle des Krieges, in die man hier hineingezogen wird, meint man zu riechen, zu hören und vor allem: zu fühlen.
Großartig, wie es Iweala schafft, dass Agu, der skrupellose Killer, vor allem unser Mitleid weckt. Er ist Opfer und Täter zugleich, ein unvorstellbar gequältes, vom Kommandanten immer wieder vergewaltigtes Kind, der zusehen musste, wie sein Vater erschossen wurde. Der danach zum Tier wird, zum Teufel, und trotzdem ein Kind bleibt, voller Hoffnung auf eine friedliche Zukunft.

Das Buch

Uzodinma Iweala: "Du sollst Bestie sein!"
Übersetzt von Marcus Ingendaay
Ammann Verlag, 157 Seiten, 19,50 Euro


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Artikel vom 23.05.2008, 16:48 | KURIER | Susanne Rössler

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Foto vom Autor Susanne Rössler



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