Wikimedia Deutschland gewinnt erneut Prozess
Frankfurt am Main/Köln - 16. Mai 2008 - Vor dem Landgericht Köln ist diese Woche erneut ein Versuch gescheitert, Wikimedia Deutschland für Inhalte der freien Enzyklopädie Wikipedia verantwortlich zu machen. Damit konnte der gemeinnützige Verein auch den letzten noch laufenden Rechtsstreit erfolgreich abschließen.
Bereits 2006 hatte die “Frankfurter Verlagsgruppe” versucht, den Verein wegen Darstellungen in der freien Enzyklopädie Wikipedia in Anspruch zu nehmen. Im Mai 2007 reichte sie schließlich Klage gegen Wikimedia Deutschland und dessen als Admin-C fungierenden Geschäftsführer Arne Klempert vor dem Landgericht Köln ein, um damit die Entfernung ihr unliebsamer Passagen aus dem Artikel “Frankfurter Verlagsgruppe” in der deutschsprachigen Wikipedia zu erreichen.
Im Kern ging es in dem Verfahren (AZ 28 O 344/07) um Ausführungen in der Enzyklopädie Wikipedia zum Geschäftsmodell der zur Frankfurter Verlagsgruppe gehörenden Unternehmen. Im Gegensatz zu klassischen Publikumsverlagen zahlen die Autoren hier Zuschüsse und finanzieren damit die Veröffentlichung ihres Werkes selbst. Die Klägerin hielt die Äußerungen, die sich unter anderem auf Vorwürfe durch den Autorenhaus Verlag und einen Bericht der ZDF-Sendung WISO bezogen, für unzulässig und hat u.a. mit der Begründung Klage erhoben, dass der Wikimedia Deutschland e.V. und der Admin-C der Domain wikipedia.de für die Inhalte der Enzyklopädie verantwortlich seien.
Mit seinem 22seitigen Urteil vom 14. Mai 2008 hat die für Persönlichkeits- und Presserecht zuständige 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln die Klage abgewiesen. In seiner Entscheidung äußert sich das Gericht auch ausführlich zur Verantwortung von Wikimedia Deutschland für Inhalte der Wikipedia. Darin erblickt der Wikimedia Deutschland e.V. eine eindeutige Bestätigung seines schon immer eingenommenen Standpunkts. Der gemeinnützige Verein hatte stets betont, dass er weder redaktionellen noch technischen Einfluss auf die Inhalte der Wikipedia habe und deshalb nicht für diese hafte. Betreiber sei allein die in San Francisco ansässige Wikimedia Foundation Inc.
In einem früheren Verfahren zwischen der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und Wikimedia Deutschland hatte das Landgericht in einer mündlichen Verhandlung eine Passivlegitimation nicht ausdrücklich ausgeschlossen. “Nun stellt das Gericht im aktuellen Urteil klar, dass sich Wikimedia Deutschland durch die Weiterleitung von seiner Domain wikipedia.de auf die Hauptseite der deutschsprachigen Wikipedia nicht sämtliche Inhalte der Enzyklopädie zu Eigen macht”, freut sich Arne Klempert.
Der Weiterleitung könne “nicht die ausdrückliche oder konkludente Erklärung entnommen werden, die Beklagten billigten die in diesen über 600.000 Artikeln enthaltenen Äußerungen und machten sie sich zu Eigen”, stellt das Gericht in der Urteilsbegründung klar und ergänzt “die Annahme eines solchen Erklärungswerts wäre bloße Fiktion”. Auch die derzeitige Gestaltung der Domain wikipedia.de als Suchportal reiche nach Überzeugung des Gerichts nicht aus, um ein Zu-Eigen-Machen hinsichtlich der streitgegenständlichen Inhalt durch die Beklagten anzunehmen.
Wikimedia-Anwalt Thorsten Feldmann von der Berliner Kanzlei JBB Rechtsanwälte zeigt sich zufrieden mit dem Urteil: “Wir freuen uns vor allem darüber, dass sich die Richter die Mühe gemacht haben, sich mit der Wikipedia detailliert auseinanderzusetzen und die Besonderheiten dieser Art der Verfügbarmachung von Drittäußerungen über das Internet herauszuarbeiten. Es ist davon auszugehen, dass dieses Urteil Signalwirkung für künftige Verfahren haben wird.”
Mit diesem Prozess wurde eine lange Reihe von Rechtstreitigkeiten beendet. Seit einer einstweiligen Verfügung im Januar 2006 - wegen der Nennung des bürgerlichen Namens eines verstorbenen Hackers - musste sich Wikimedia Deutschland permanent vor Gericht gegen Versuche wehren, den Verein für Inhalte der Wikipedia verantwortlich zu machen. Aus all diesen Verfahren ist der Wikimedia Deutschland e.V. als obsiegende Partei hervorgegangen. “Auch Dank unserer hervorragenden und überaus engagierten Anwälte konnten wir alle gerichtlichen Auseinandersetzungen gewinnen - und das in jeder einzelnen Instanz”, freut sich Arne Klempert.
Reaktionen:
heise.de Gericht: Wikimedia Deutschland haftet nicht für Wikipedia
golem.de: Urteil: Wikimedia nicht für Wikipedia-Inhalte verantwortlich
intern.de: Keine Passivlegitimation der Wikimedia Deutschland