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22.05.2008    10:58 Uhr Drucken  |  Versenden  |  Kontakt
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700 Folgen "Tatort"

Langsam ist es egal

Simone Thomalla und Martin Wuttke sind als neue Leipziger "Tatort"-Kommissare nicht mehr eindeutig ostdeutsch. Wozu auch?
Von Else Buschheuer


Sie ist auch ein bisschen seine Mutti: Die neuen Tatort-Kommissare Saalfeld (Simone Thomalla) und Keppler (Martin Wuttke) für Leipzig.
Foto: ap
 

17 Jahre schluppte griesgrämig Peter Sodann als Tatort-Kommissar Bruno Ehrlicher durch die Botanik, kauzig-übelgelaunt, sächselnd, auf patente Weise ewiggestrig - wenn man auf so was steht. Er war unverkennbar ein Ossi und versuchte auch gar nicht erst, was anderes zu sein. Warum auch?


Nun kommt die nächste Ermittler-Generation: urban, stylish, weltoffen. Glattgebügelt, werden die Kritiker sagen, die Ecken und Kanten sind weg, werden die Kritiker sagen. Stimmt das? Trifft das auf Simone Thomalla, 43, und Martin Wuttke, 46, zu, auf das neue Tatort-Team des MDR?

Eva Saalfeld heißt die frisch beförderte Kommissarin, und sie wird eingeführt als jemand, der sich in der Leipziger Kripo bereits seinen Platz erkämpft hat.

Schwungvoll, leutselig, kollegial

Ihr erster Auftritt ist schwungvoll, leutselig, kollegial. Ihre warme Stimme, ihr offener Blick aus braunen Augen nimmt für sie ein. Sie schüttelt ihren uniformierten Kollegen die Hände, durchmisst tatbereit das Präsidium.

Nicht stöckelnd wie Hannelore Elsner als Kommissarin, sondern gut abrollend, auf flachen Schuhen, die man zwar nicht als Waffen nutzen, mit denen man aber gut Verfolgungsjagden aufnehmen kann.

Am Leipziger Hauptbahnhof fährt währenddessen ein ICE ein, aus Berlin, nehm ich mal an, und spuckt ein Männchen mit einem Rollenkoffer aus. Das Männchen hat schütteres dunkles Haar und ein baschkirisches Prinzengesicht. Es ist Hauptkommissar Keppler, in Nadelstreifen, aber casual, krawattenlos. Umschnitt auf Saalfelds Hosenbeine im Präsidium. Auch sie trägt Nadelstreifen. Zufall?

Man gönnt ihr den Aufstieg

Jemand wirft Saalfeld einen Glückwunsch zu. Zur Beförderung. Auf dem neuen Schreibtisch eine Karte mit "Toi Toi Toi". Umseitig: "Deine Kollegen vom K11". Sie ist beliebt. Man gönnt ihr den Aufstieg.

Währenddessen entspinnt sich natürlich ein Fall, ein Mord mit seinen Folgen, sonst wär’s ja kein Tatort. Von Kinderschändern ist die Rede, von Hexenjagd, von Todesstrafe, aber hier geht es um die Chemie und Dynamik des neuen Ermittlerduos.

Wir sehen, wie Eva Saalfeld ihrem neuen Kollegen den Schreibtisch einrichtet, während sie auf seine Ankunft wartet. Und daran, wie sie den Schreibtisch einrichtet, merken wir: Sie kennt ihn. Sie kennt ihn gut. Und er scheint eine kleine Meise zu haben. Drei Schreibblöcke zieht sie aus der Tasche ihrer braunen Lederjacke, legt sie exakt nebeneinander und einen - ebenfalls mitgebrachten - Füllfederhalter parallel darüber.

Schon sitzt er in der Straßenbahn

Keppler läuft jetzt durch den Leipziger Hauptbahnhof. Schrobschrobschrob mit dem Rollenkoffer die Treppe runter. Da klingelt sein Handy, und er hat den ersten Fall an der Backe. "Wo ist das?", fragt er knapp und, pling, schon sitzt er in der Straßenbahn.

Kein Streifenwagen holt ihn ab, den neuen Herrn Kommissar, wohlgemerkt, kein Taxi nimmt er sich auf Kosten der Steuerzahler, nein, er fährt Bus und Bahn. Guter Mann! Mit seinem ollen Rollenkoffer zwischen den Beinen. Er nimmt Witterung auf mit der neuen Stadt.

Die Art, wie Keppler die Welt anschaut, wird gut von der Kamera gezeigt. Er erlebt sie ausschnitthaft, selektiv, wie ein Autist. Er tritt manchmal regelrecht weg und träumt, er sieht Dinge, die sonst niemand sieht und behält sie für sich.

Die zugewandte Art ist nicht die seine

Am Tatort angekommen, erkennt er von weitem Eva Saalfeld, die ihre Kollegen schon wieder herzt und mit Aufmerksamkeiten überschüttet. Die freundliche, zugewandte Art seiner neuen Partnerin, die, wie wir nun durch einen Nebendialog erfahren, auch seine frühere Ehefrau ist, ist nicht seine.

Er ist ein Außenseiter. Was die anderen von ihm denken, ist ihm wurscht. Aber seine Augen leuchten, als er Eva sieht. Er lächelt sogar. Obwohl Lächeln in seinen Gesichtsschnitt mimisch gar nicht eingebaut zu sein scheint. Vielleicht war sie, damals, als sie ein Paar waren, sein Tor zur Welt?

Eva Saalfeld hat Keppler nun auch gesehen, beobachtet, wie er sie beobachtet, holt tief Luft und kommt ihm entgegen.

Hallo, Keppler. Ein Händedruck. Verlegenheit beidseits. Tach, Eva. Genug gesehn? Nie genug gesehen.

Seine Macken

Sie ziehen sich aufs sichere Terrain zurück, aufs Dienstliche. Saalfeld informiert Keppler vom Fall. Man merkt, sie respektiert ihn, ihn und seine Macken. Sie nimmt ihn ernst. Sie lässt ihm Raum. "Ich hab die Spurensicherung draußen gelassen. Deinetwegen."

Sie ist auch ein bisschen Kepplers Mutti. Drückt ihm den Dienstausweis in die Hand, ermahnt ihn, ihn nicht zu verschusseln. Sie waren drei Jahre verheiratet, und es ist zehn Jahre her. Aber die Rollen sitzen noch.

Keppler schlägt den Händedruck seines neuen Kollegen Wenzel von der Abteilung KTU (Kriminaltechnische Untersuchungen) aus, was ziemlich grob ist, selbst für einen Sozialphobiker. "Man gewöhnt sich dran", wird Eva Saalfeld später dem jeweils Verprellten zuraunen. Wie jedes prima Mädel möchte sie Harmonie, dass Kepplers Können anerkannt wird. "Keppler ist nicht hier, um freundlich zu sein, sondern um seine Arbeit zu machen."

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum Leipziger Tatort-Kommissare nicht mehr sächseln müssen.


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