Geschützte Arten gefährden die geplanten Windparks in der deutschen Nordsee: Seetaucher und Seeschwalben machen neue Genehmigungen fraglich. Die wichtige Frage: Wie groß ist die "Schutzwirkung" der Anlagen?
Seetaucher werden bis zu 91 Zentimeter groß, Seeschwalben nur bis zu 38 Zentimeter - Offshorewindräder hingegen sind über 100 Meter hoch und 30 Meter tief im Meeresboden verankert. Und doch könnten die beiden Vogelarten den Bau weiterer stromerzeugender Meeresgiganten vor der deutschen Nordseeküste stoppen. Das zuständige Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie will bei der Genehmigung neuer Offshorewindparks verstärkt auf gefährdete Vogelarten achten - und dazu zählen Seeschwalbe und -taucher.
Die beiden Vogelarten stehen auf der Roten Liste und werden durch die internationale Ramsar-Konvention geschützt, der Deutschland 1976 beigetreten ist. Das Abkommen beinhaltet zwar kein komplettes Nutzungsverbot der gemeldeten Flächen. Doch es schreibt vor, dass nur ein Prozent der Tiere aus ihrem natürlichen Lebensraum verdrängt werden darf, wenn sie zu einer geschützten Art gehören.
Um die 1000 Seetaucher werden nach Berechnungen des Bundesamts für Naturschutz durch die bislang vor der deutschen Nordseeküste genehmigten Offshorewindparks aus ihrem Lebensraum vertrieben - das ist ein Prozent der Gesamtpopulation. Bei Seeschwalben wird die Obergrenze ebenfalls überschritten, sollte auch nur noch ein weiterer Windpark genehmigt werden.
Die Berechnungen beruhen auf der sogenannten Scheuchwirkung der Windkraftanlagen. An Land hat sich gezeigt: Seeschwalben meiden einen Radius von etwa 500 Metern rund um Windräder. Bei Seetauchern gibt es bezogen auf Windparks allerdings keine Erfahrungswerte. Allerdings flüchten die Vögel, sobald sich ein Schiff auf zwei Kilometern Entfernung nähert - diesen Wert übernehmen die amtlichen Artenschützer auch für die Offshorewindparks und ziehen einen entsprechenden Radius um die Windräder, um deren Verdrängungswirkung auf Seetaucher zu berechnen.
Eine Praxis, die zumindest bei Windparkbetreibern und der Deutschen Energie-Agentur (Dena) auf Skepsis stößt. Die Scheuchwirkung der Windparks sei nur vorübergehend, mit der Zeit würden sich die Vögel an die Anlagen gewöhnen, so das bundeseigene Institut. Die Naturschutzkoordinatorin des BUND, Heidrun Heidecke, widerspricht: Bei Zugvögeln wie der Seeschwalbe oder dem Seetaucher trete der Gewöhnungseffekt nicht ein, schließlich seien sie nur auf der Durchreise.
Claudia Grotz, politische Referentin des Bundesverbands Windenergie, nimmt es derzeit noch gelassen: "Erst wenn wirklich weitere Windparkgenehmigungen abgelehnt werden, haben wir ein Problem." Das Bundesbauministerium jedenfalls hat noch zwölf weitere Offshoreparks in seinem Raumordnungsplan vorgesehen.
FTD.de, 12.09.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: Getty Images/ Flip De Nooyer/ Foto Natura
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